Seite 33 - Der_unendliche_Faden

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Kloster St. Marienberg als Begräbnisort –
das historische Erbe
Ingrid Henze
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Einführende Bemerkungen zum Bestattungswesen
in St. Marienberg
Was hat Menschen jahrhundertelang bewogen, ihre letzte
Ruhe in Kirchen und Kreuzgängen von Klöstern zu suchen, da-
für bisweilen schon zu Lebzeiten viele Vorkehrungen zu treffen
und natürlich auch Vermögen zu opfern? In St. ­Marienberg
soll sich bereits der Klostergründer Wolfram, Abt von Werden
und Helmstedt, 1183 in der noch nicht vollendeten Kirche
bestatten lassen haben. Als gläubiger Mensch seiner Zeit
dürfte er getrieben worden sein von der Furcht vor den
Peinigungen des Fegefeuers, einer theologischen Lehre, die
seit dem 12. Jahrhundert mehr und mehr die Menschen
bewegte. Abwehr und Milderung der jenseitigen Strafen
versprachen Messen und Gebete für die Verstorbenen. Ver-
gessen zu werden und damit ausgeschlossen zu sein vom
fürbittenden Gedenken der lebenden Gläubigen konnte man
unter anderem verhindern durch einen Begräbnisplatz in
der Kirche.
Wegen der an den Altären vollzogenen heiligen Hand-
lungen, auch weil man den in den Altären verwahrten
­Reliquien der Heiligen und Märtyrer möglichst nahe sein
wollte, war deren Umgebung eine besonders begehrte
Beisetzungsstätte. So scheint es auch in St. Marienberg
gewesen zu sein. Aus den wenigen Nachrichten, die zum
Bestattungswesen in vorreformatorischer Zeit bekannt
sind, geht unter anderem hervor, dass sich zum Beispiel
der Halberstädter Kanoniker und Klosterwohltäter Burchard
von Marenholtz Mitte des 15. Jahrhunderts vor dem Altar
der barmherzigen Maria im nördlichen Seitenschiff bei­
setzen ließ. Sein Grabmal ist in einer Skizze von 1725
noch eingezeichnet.
1
Ebenso hatte die katholische Domina
Margarete von Hoym (s. u. S. 86, Nr. 2) verfügt, dass man
sie vor ihrem Lieblingsaltar im Kreuzgang bestatten sollte.
Dazu bemerkt der Chronist, dass ihr ­eigentlich eine Grab-
stätte „auff der andern seiten des Creutzganges“ gebührt
hätte, wo ihre vier Vorgängerinnen begraben seien.
2
Der Altarbereich in St. Marienberg blieb auch in nachre-
formatorischer Zeit ein bevorzugter Begräbnisplatz, auch
wenn der Glaube an die Abwehrkraft der Altäre gegen
Strafen im Jenseits in der lutherischen Lehre keine Rolle
mehr spielte. Aus dem Jahr der Beisetzung der Priorin
Christine Elisabeth Voigts 1736 ist eine Skizze der Gräber
um den Altar im unteren Chor erhalten (Abb. 1).
3
Der Altar
stand damals etwas weiter im Westen, also mehr zur Ge-
meinde hin als der heutige Gemeindealtar. Auf der Skizze
Blick über den Friedhof
im Kreuzganginnenhof
Abb. 1
Skizze mit Begräbnis­
plätzen im unteren Chor
, 1736.