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Als im 19. Jahrhundert das Kloster St. Marienberg in Helm
stedt in eine seiner schwierigsten Phasen trat, war es
Domina Charlotte von Veltheim, deren leidenschaftlichem
Einsatz nicht nur seine weitere Existenz zu verdanken ist,
sondern die dort auch eine Tradition begründete, die dem
Frauenkonvent eine bedeutende und bis heute identifika-
tionsstiftende Aufgabe gab: das Kunsthandwerk der Para-
mentik.
Rückblick
Zwischen 1176 und 1181 gründete Wolfram, Abt von Werden
und Helmstedt (St. Ludgeri), „auf dem Berg bei Helmstedt“
westlich der Stadt einen Frauenkonvent, der nach der
Augustinerregel leben sollte und für den er seine Schwester
als erste Priorin bestimmte. Er verfügte außerdem, dass er
in der Stiftskirche seine Begräbnisstätte erhalten sollte. Die
Kirche vermittelt in ihrer architektonischen Anlage noch
heute ein gutes Bild von ihrer ursprünglichen Gestalt,
während die Konventsgebäude zwar noch die Außenmauern
beibehalten haben, anhand derer man die mittelalterlichen
Gebäudeumrisse ablesen kann, aber im 19. Jahrhundert
innen völlig umgebaut wurden.
Der Konvent
Der St. Marienberger Konvent umfasste in der Anfangszeit
die stattliche Zahl von 40 Augustiner-Chorfrauen, die aller
dings in späteren Jahrhunderten nur noch einmal erreicht
wurde (in der Amtszeit der Priorin Margareta von Hoym
1516–1546); man wird im weiteren Mittelalter von deut-
lich weniger Konventualinnen auszugehen haben. Als im
Verlauf der Reformation die Umwandlung in ein evange-
lisches Damenstift erfolgte, wurde die Konventsgröße auf
nur sechs Stellen beschränkt.
Die textilen Künste
Eine der wesentlichen Aufgaben, die in mittelalterlichen
Frauenstiften oder -klöstern ausgeübt wurde, war die
Handarbeit. Vor allem für die Ausstattung der Kirchen
und für die Ausübung der Gottesdienste war eine Vielzahl
von Textilien nötig: Altardecken und Antependien, litur
gische Gewänder mit ihren einzelnen Bestandteilen, Velen,
Pallen usw., aber auch Wand- und Bodenteppiche für die
Auskleidung des Chorraums. Die ganze Bandbreite der
verschiedenen Techniken kam hier zur Anwendung: Weben,
Wirken, Sticken, Knüpfen, Nähen usw. Stücke großen For-
mats wie Teppiche oder die Anfertigung von Ornaten, die
aus mehreren Gewändern bzw. Gewandteilen bestanden,
erforderten sowohl eine gute Werkstattorganisation im
Ganzen wie auch eine weitreichende technische und theo-
logische Schulung der Frauen im Einzelnen. Das Meiste
dieser doch wohl unermesslich vielen Stücke ist verloren,
und Quellen, die Auskunft geben könnten über Herstel-
lung, Art und Aussehen der Textilien, sind auch nur in sehr
geringer Zahl erhalten. Deshalb muss man versuchen, sich
anhand der erhaltenen Stücke ein Bild zu verschaffen, und
oft kann man nur staunen über die Feinheit und Qualität
der Ausführung, die von höchster Schöpfungskraft und
höchstem Anspruch der Frauen dahinter zeugen – wahre
Meisterinnen der textilen Künste!
Textile Schätze in Helmstedt
So ist es auch in St. Marienberg. In der Schatzkammer im
Kreuzgang sind kostbare Textilien ausgestellt, die eine
Ahnung davon vermitteln, welche Fülle es an textilen
Schätzen im Mittelalter gegeben haben mag (Abb. 1).
Eigentümerin der St. Marienberger Textilien ist heute die
Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz. Unter ihrem Dach
wird neben dem Vermögen der Braunschweig-Stiftung
auch das des Braunschweigischen Vereinigten Kloster- und
Studienfonds verwaltet, welches aus den in der Reformation
Herzog Julius zugefallenen Vermögenswerten der klöster-
Meisterinnen der textilen Künste –
die Paramentenwerkstatt der von Veltheim-Stiftung
Miriam Gepp-Labusiak
Geschenk und Prachtarbeit
von Domina Charlotte von
Veltheim an die Klosterkirche
St. Marienberg
von 1905,
Antependium, Crux immisa
quadrata, Applikationen und
feinste Stickereien auf Seiden
damast.
Abb. 1
Schatzkammer
, 2011,
ehemaliges Refektorium.