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Die Paramentenwerkstatt schließlich befindet sich an einem
Ort, der für besondere Textilgeschichte bürgt, denn bereits
die Schatzkammer des Klosters besitzt mittelalterliche Texti
lien, die vor Ort entstanden sein dürften. Die Werkstatt
selbst, ein Eldorado für Menschen, die Sinn für Stoffe und
Garne, Entwürfe und die Kunst des Webens und der Sticke-
rei haben, wurde vor fast 150 Jahren gegründet. Zu ihren
Schätzen gehört die „Chronik des Paramentenvereins“, die
längst vergangene Zeit nah heranzuholen vermag, weil in
ihr nicht nur alte gemalte Entwürfe enthalten sind, sondern
auch Nachrichten über Auftraggeber und Preise und nicht
zuletzt die Namen derer, die gewebt, gestickt und genäht
haben. In den Statuten heißt es: „Der Zweck des Vereins
soll sein, unserer Hände Arbeit in den Dienst der Kirche zu
stellen und nach besten Kräften zum christlichen und
würdigen Schmuck ihrer Gotteshäuser beizutragen.“
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Allerdings ist die Geschichte der Paramentenwerkstatt und
wohl auch die des Klosters, welches sich zu Beginn des 19.
Jahrhunderts in einem erbarmungswürdigen Zustand be-
funden haben muss, nicht zu denken, ohne Charlotte von
Veltheim, die 1848 ihr Amt als Domina in der Generationen
folge der Frauen der Familie von Veltheim, die dies Amt
seit 1754 innehaben und weitergeben, antrat.
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Charlotte von Veltheim erwies sich als Pionierin und refor-
mierte den Konvent. Geprägt durch Vorbilder der Inneren
Mission, wie den Theologen Wilhelm Löhe in Neuendettelsau
und Johann Hinrich Wichern in Hamburg, aber auch durch
die Wiederaufnahme verloren geglaubter Klostertraditionen
erneuerte sie das Stift nach außen und innen und fand in
der Förderung des Niedersächsischen Paramentenvereins
eine Aufgabe für Konvent und Kloster. Analog zur Ver-
pflichtung der evangelischen Diakonissen, sich dem Dienst
am leidenden Menschen zu widmen, entwickelte Charlotte
von Veltheim daneben ein zweites Standbein in der Kranken
pflege und Kindererziehung. Hier liegt nicht nur die Wurzel
des Helmstedter Krankenhauses, sondern auch die der
Klosterschule, die erst 1940 von den Nationalsozialisten
geschlossen wurde und von der manche Helmstedterin
noch immer zu berichten weiß.
So diente Charlotte von Veltheim dem Kloster über sechzig
Jahre bis zu ihrem Tode und prägte das Leben innerhalb
des alten Stiftes genauso wie das der Stadt Helmstedt.
Dieser Bedeutung der Domina entspricht es, dass ihr Leben
und Wirken anlässlich ihres hundertsten Todestages durch
die Initiative frauenORTE, einem Projekt des Niedersächsi
schen Landfrauenrates, gewürdigt wird.
So ist es mir der Vielschichtigkeit von Geschichte, Aus-
strahlung und Wirksamkeit unterschiedlichster Menschen
wegen ein besonderes Vergnügen, Ihnen den vorliegenden
Band ans Herz zu legen.
Und nicht zuletzt steht das Kloster St. Marienberg in
Helmstedt heute für die in vielerlei Weise glückliche und
segensreiche Zusammenarbeit der evangelisch-lutherischen
Landeskirche in Braunschweig und der Stiftung Braunschwei
gischer Kulturbesitz.
Ich würde mich deshalb freuen, wenn dieses Buch Sie
verlocken würde, sich mit eigenen Augen einen Eindruck
zu machen.
Ihr
1
Müller, H.-E., Helmstedt, Die Geschichte einer deutschen Stadt,
Helmstedt 2004, S. 299.
2
Jubiläumskatalog, 26. Marienberger September-Ausstellung, Helmstedt
1987, S. 5.
3
Vgl.: Lutz, G., Kloster St. Marienberg in Helmstedt, Königsstein im Taunus
1996, S. 8.