Brüderlichkeit? Soll das immer ein Traum, eine unerfüllbare
Sehnsucht bleiben?“
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Bei seinem Amtsantritt im März schenkte er dem Braunschweiger
Bürgermeister Dr. Hans-Joachim Mertens, einem SS-Mann, den
opulenten Bildband „Die Jugend des Führers Adolf Hitler“ (womit
nicht der Führer selbst, sondern die Hitler-Jugend gemeint war).
Auch Heilig erhielt ein Buchgeschenk vom Bürgermeister: „Sperr-
feuer um Deutschland“ von Werner Beumelburg.
Berthold Heilig setzte sich ständig wirkungsvoll in Szene, beispiels-
weise am 30. April 1944 bei der Maifeier der NSDAP im „Staatsdom“.
Die fast 800 Jahre alte Braunschweiger Stiftskirche, die einst Hein-
rich der Löwe gegründet hatte, war von den Nazis zur „Nationalen
Weihestätte“ erklärt worden. Heilig kannte die Wirkung seiner Stim-
me und spielte damit wie ein Virtuose in wechselnden Tonlagen. Er
war ein begnadeter Redner. „Sie glauben gar nicht, wie das dem
Machtgefühl – dem persönlichen und dem des Nationalsozialismus
– gut tut, wenn man vor 10 000 jubelnden Menschen spricht,“ sagte
er einmal zu dem Braunschweiger Bürgermeister Mertens.
An diesem Maifeiertag 1944 bekräftigte Heilig etwas, das alle Men-
schen angesichts der zunehmenden Bombenangriffe und der Rück-
zugsschlachten in Russland und anderswo längst wussten und
fürchteten: „Die Heimat wird zur Front, und deshalb muss die Hei-
mat nun auch Frontgeist zeigen. Unser Einsatz ist rücksichtslos. Wer
sich nicht fügt in die Volksgemeinschaft, der muss weichen oder wird
ausgemerzt.“
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So ist es in der „Braunschweiger Tageszeitung“ nach-
zulesen, die natürlich keinerlei freie Meinungsäußerung mehr
zuließ, sondern längst ein reines Propagandablatt der Nazis war.
Bei einer Großdemonstration am 18. Mai 1944 im Braunschweiger
„Hofjäger“ an der Wolfenbütteler Straße, fiel er ähnlich scharf in
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II. Kapitel