in den Kellern der Ruinen und in den Bunkern. Immerhin 80 000 der
einst knapp 200 000 Einwohner hausten noch in dem Trümmercha-
os. Die Nazi-Diktatur funktionierte reibungslos und immer noch
war es lebensgefährlich, am Endsieg zu zweifeln oder gar einen
Witz über den „Gröfaz“ (den größten Feldherrn aller Zeiten) zu
erzählen. Denunzianten gab es überall.
Selbst ein paar Kinos hatten in dieser apokalyptisch anmutenden
Ruinenlandschaft noch geöffnet. Im kaum zerstörten „Scala“ am
Kohlmarkt gab es „Kein Wort von Liebe“, und der nur in den Ober-
geschossen ausgebrannte Ufa-Palast an der Friedrich-Wilhelm-Stra-
ße (das spätere „Capitol“) hatte „Saison in Salzburg“ im Programm.
Auf der Oker am Löwenwall waren bei mildem Frühlingswetter
sogar Boote zu sehen, in denen verwundete Wehrmachtssoldaten
mit Gipsarmen saßen, die sich von ihren Freundinnen gen Bürger-
park paddeln ließen. Und noch immer tönten aus dem Radio von
Fanfaren begleitete Sondermeldungen und Durchhaltenparolen, die
niemand mehr glaubte.
Die „Braunschweiger Tageszeitung“ von jenem 6. April brachte auf
Seite 1 unter der Schlagzeile „Lieber tot als Sklav“ einen fanatischen
Kampf-Aufruf von Hartmann Lauterbacher. Dieser Appell steht
indes in merkwürdigem Kontrast zu der Tatsache, dass er ja am
gleichen Tag Berthold Heilig in Braunschweig abgesetzt und in den
Harz geschickt hatte. In diesem Aufruf heißt es unter anderem: „Wir
sind gewillt und entschlossen, alle uns zur Verfügung stehenden
Mittel und Möglichkeiten erbarmungslos einzusetzen, um unsere
niedersächsische Erde, unsere Frauen und Kinder vor dem Zugriff
der Angloamerikaner und der ihnen folgenden Juden, Neger,
Zuchthäusler und Gangster zu schützen.“ In seinem blindwütigen
Appell malte er ein finsteres Bild und schrieb unter anderem, was
im Westen Deutschlands angeblich bereits geschehen sei: „Alle
Männer zwischen 14 und 65 Jahren wurden in Sammellagern
Die Woche vor dem Einmarsch der Amerikaner
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