verwilderten Garten unseres künftigen Hauses, das schon nahezu
komplett eingerichtet war, doch erst in einigen Tagen endgültig
bezogen werden sollte. Ich stromerte unter den Haselnusssträu-
chern herum. Plötzlich öffnete sich oben im Haus ein Fenster, und
eine Gruppe von Männern in braunen und schwarzen Nazi-Unifor-
men blickte auf uns herab. Einer von ihnen rief leutselig: „Ich woll-
te mal sehen, was Sie hier so treiben.“
Fremde einfach so in unserem Haus – unglaublich. Heutzutage
hätte man schnell die passende Antwort parat: „Verschwinden Sie,
aber mal ganz flott. Ich rufe sofort die Polizei.“ Doch damals war das
völlig anders. Ich spürte, wie meine Eltern und meine Schwester
förmlich erstarrten. Dieser Mann, der da aus dem Fenster rief, das
erfuhr ich dann später, war der Kreisleiter Berthold Heilig, also der
ranghöchste Nazi der Stadt. Polternd lief der damals 29-Jährige mit
seinem Gefolge treppauf, treppab im ganzen Haus herum. Stim-
mengewirr klang herab, dann kam er in den Garten. „Ich wohnte
hier mal ganz kurz, und ich habe noch einen Schlüssel,“ sagte er
ganz leicht dahin.
Über was er und meine Eltern redeten, weiß ich nicht. Ich weiß nur
noch, dass dieser stattlich aussehende junge Mann in der braunen
Uniform mit der roten Hakenkreuzbinde am Arm wohlklingend,
aber etwas abgehackt und schnarrend sprach. Und als sich ein
Schmetterling – solche Facetten kleben ja in der Erinnerung eines
Kindes – ausgerechnet auf seinen Arm setzte, fegte er den bunten
Gartenfalter mit seinem Handschuh auf den Boden und zertrat ihn
dann, indem er den blitzblanken Stiefel hin- und herdrehte. Dieses
winzige Erlebnis, natürlich belanglos im Vergleich zu anderen
Ereignissen, verfolgte mich in Kindertagen bis in die nächtlichen
Träume hinein. Wir alle – meine Mutter, mein Vater, meine Schwes-
ter und ich – waren erleichtert, als sich der unheimliche Besuch mit
zackigem „Heil Hitler“ wieder verzog.
Sommer 1944: Tod des Schmetterlings
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