Seite 9 - Heilig

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solchen, natürlich streng verbotenen, Akt der Menschlichkeit eben-
soviel Zivilcourage wie etwa statt „Heil Hitler“ nur „Guten Morgen“
zu sagen.
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Zuweilen, wenn ich die Augen schließe, sehe ich all diese Episoden
aus der Kriegszeit deutlich vor mir. Und ich sehe auch Berthold Hei-
lig, der mir so furchterregend schien. Er bewegte auch später über
Jahre hinweg nicht nur als Nazi-Figur die Braunschweiger Öffent-
lichkeit, sondern sein Name klebte ebenso auf eine mir geradezu
unheimliche Weise an meinem späteren Elternhaus. Denn Berthold
Heilig hatte das Haus in der Ferdinandstraße 4 – damals gehörte es
noch dem Fabrikbesitzer Robert Kahle aus Freiburg – mieten wol-
len. Er bewohnte es im März/April 1944 auch sporadisch, entschied
sich dann aber anders. Meine Eltern waren die Nachmieter, wurden
Anfang 1946 Besitzer dieses Grundstücks, das ich dann wiederum
1974 verkauft habe.
Bei meinen Recherchen fand ich keinerlei schriftliche Beweise
mehr dafür, dass Heilig in meinem späteren Elterhaus gewohnt hat.
Erst die Braunschweigerin Elisabeth Buchler, die zusammen mit
ihrem Mann bis Februar 1944 in der Ferdinandstraße 4 gelebt hatte,
erzählte mir im August 2004, wie es war, als sie ihrem Nachmieter
Berthold Heilig die Villa überließ. „Es gab zunächst einmal Ärger,
weil er die von uns gekauften 50 oder 60 Zentner Kohlen, die noch
im Keller lagen, einfach nicht bezahlen wollte,“ erinnerte sich Frau
Buchler. „Sehen Sie das mal als Spende an die Partei an,“ habe er
gesagt. Letztlich mochte wohl Heiligs Frau aus Angst vor den zahl-
reicher werdenden Bombenangriffen nicht mitten in die Stadt zie-
hen.
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Liselotte Heilig blieb bis zum 22. März 1945 mit den Kindern in Hil-
desheim, wo sie seit 1942 wohnte. Erst in den allerletzten Kriegsta-
gen übersiedelte sie dann noch in das von Tettenbornsche Forsthaus
Sommer 1944: Tod des Schmetterlings
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