Klirren der Waffen, die Schlachtrufe der eindringenden Rotten, Brüllen und
Stöhnen von Verblutenden. In der Stadt ist das Chaos ausgebrochen. Ihre
Bewohner suchen vergeblich in den Kirchen Zuflucht. Von ihren Anführern
nicht zurückgehalten, kennt die entfesselte Soldateska kein Erbarmen. Mehr als
tausend Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, werden ohne jedes Mit-
leid umgebracht. Junge Weiber den grölenden Landsknechten ausgeliefert, die
Stadt ausgeraubt, kommt Heinrich langsam zu sich. Dem Gemetzel Einhalt zu
gebieten, ist ihm nicht in den Sinn gekommen. Warum auch? Nachsicht kennt
man höchstens gegenüber gefangenen Edelleuten, die sich freikaufen können.
Dennoch ist ihm nicht ganz wohl in seiner Haut. Die Lust am Krieg ist mit ihm
durchgegangen. Sie zu beherrschen, wird er noch lernen müssen. Aber den
Tod des Vaters hat man zu rächen. Wenigstens einmal!
Er wischt sich Schweiß, Dreck und Blutspritzer von den Augen, reitet zurück
ins Lager vor dem geschändeten Appingedam.
Herzog Georg strahlt über das ganze Gesicht. Gerührt schließt er nun einen
der erschöpften Sieger nach dem anderen in die Arme. Johann von Oldenburg
mehrmals, Heinrich den Jüngeren immer wieder. Ihm als Ersten legt er feier-
lich das Wehrgehänge eines Ritters an, danach auch etlichen anderen. Eines
davon hat er für sich selbst aufgespart.
Geschmückt mit den Zeichen kaiserlichen Dankes lassen sich die beiden Fürs-
ten, der Graf und ihre Edelleute das aufgetragene Siegesmahl munden. Wein
und Bier fließen in Strömen, Festreden arten zu trunkenem Gestammel aus,
verebben bald in bleierner Müdigkeit. Die ganze Nacht hindurch nimmt drü-
ben in der Stadt das grausige Geschehen seinen Lauf. Die schnarchenden Hel-
den hören es nicht. Sie schlummern den Schlaf der Gerechten.
Dem Rausch folgt die Ernüchterung. Schon am frühen Morgen des folgenden
Tages – es ist der 5. August 1514 – stecken Georg der Bärtige und Heinrich der
Jüngere über einem deftigen Frühstück ihre Köpfe zusammen. Die beiden
Herzöge sind sich einig – sie haben die Nase voll von Friesland.
Den Jüngeren plagen Gewissensbisse. Warum hat er gestern nicht auf die
Zurufe seiner eigenen Leute gehört, dem wüsten Treiben ein Ende zu machen,
Weiber und Kinder zu schonen – wenigstens unter dem heiligen Sakrament
der Kirchen! Wird er sich dafür vor dem Herrgott verantworten müssen?
Georg empfiehlt die guten Dienste seines Beichtvaters. Der wird das schon
richten. Letztendlich hat sich der kühne Neffe um Kaiser und Reich verdient
gemacht mit der Eroberung von Appingedam. Der Oheim wird das nicht
unerwähnt lassen, wenn er Maximilian Bericht erstattet. Eigentlich haben sie
damit erst einmal dem kaiserlichen Auftrag Genüge getan. Auch wenn sie
Edzard noch nicht gefangen haben.
Heinrich hatte Recht – Plündern ersetzt das Zahlen von Sold. Da der Kaiser
mit den zugesagten Geldern arg im Rückstand ist, sollte man es dabei belas-
sen. Den Hauptleuten der Landsknechte sei angeraten, den Feldzug auf ihre
Weise noch ein Weilchen fortzusetzen. Johann von Oldenburg kann man
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Appingedam