je gegen den Hildesheimer Bischof aufgebracht. Sein Vorschlag, ohne Rück-
sicht auf stiftische Hoheitsrechte den gemeinsamen Heimweg abzukürzen, fin-
det Heinrichs Beifall.
‘Was braucht ein Herzog von Braunschweig auch bei den Pfaffen um Geleit
nachzusuchen!’ verkündet er stolzen Hauptes.
Vielleicht ist es nicht nur die Eile, sondern mehr der Wunsch, den Begleiter zu
beeindrucken. Hans von Saldern neben sich, beider Gefolge dicht auf, quert er
bei Elze an einer seichten Stelle den Grenzfluss Leine ins Hildesheimische.
Eine Weile reiten sie schweigend voran. Plötzlich nehmen ihre Pferde Witte-
rung auf. Saldern lässt seinen Blick schweifen.
‘Da vorn, Herzog!’ sein Stulpenhandschuh weist die Richtung ihres Weges.
Ein Reitertrupp galoppiert ihnen entgegen. Schon sind unter der Staubwolke
die Farben des Wimpels als die des Bischofs erkenntlich.
‘Der Großvogt von Stöckheim, in Person!’ Hans von Saldern zügelt sein Ross.
Nun gilt zu beweisen, wer sich durchzusetzen versteht. Zwei Knechte des stif-
tischen Beamten springen ab und versperren dem Herzog mit gekreuzten
Spießen den Weg. Der schiebt sie unsanft beiseite. ‘Was soll das heißen?’
‘Wer gab euch Geleitbrief und Recht, das Gebiet seiner Bischöflichen Gnaden
dieser Art zu betreten?’ erwidert Stöckheim lauernd.
‘Ein Herzog von Braunschweig braucht keinen Geleitbrief im Welfenland!’
herrscht Heinrich ihn an.
‘Durchlaucht sind als feindlicher Eindringling in die Herrschaft des Stifts zu
betrachten,’ beharrt der Beamte, fixiert dabei Hans von Saldern, ‘item fordere
ich den Vasallen seiner Bischöflichen Gnaden in eurem Gefolge auf, euch
durch seine Knechte in Gewahrsam zu nehmen!’
Weil kein Zweifel besteht, auf wessen Seite jene im Ernstfall zu finden sein
würden, hat er sich längst der Überzahl seiner eigenen Leute vergewissert.
Heinrich läuft rot an. ‘Niemand wage, mich aufzuhalten. Am wenigsten du –
frecher Bube!’ Hoch aufgerichtet, die behandschuhte Rechte ausgestreckt, gibt
er das Zeichen – wir reiten weiter!
Der Großvogt fühlt sich überlegen oder versteht die Lage falsch. Jedenfalls
wiederholt er laut und gebieterisch, den Herzog festzuhalten. Diesmal gilt das
wohl den Seinen, denn er zieht selbst vom Leder.
Genau darauf scheint Hans von Saldern gewartet zu haben. Er wechselt einen
kurzen Blick mit dem Herzog, prescht mit gleichfalls gezücktem Degen auf
Stöckheim zu.
‘Parier, Vogt,’ brüllt er ihn an, ‘du hast meinen Fürsten beleidigt!’
Seine Leute stürzen sich auf die Knechte des Vogtes. Heinrichs Gefolge will
aufschließen, hält aber auf seinen Wink hin zurück. Er selbst rührt sich nicht,
betrachtet aus dem Sattel das vom Geklirr der Waffen begleitete Handgemen-
ge. Der Anflug eines Lächelns zuckt um seine Mundwinkel, als die ersten Trä-
ger der Stiftsfarben Reißaus nehmen. Weitere folgen. Bald liegt tot am Boden,
wer von dem Aufgebot des Bischofs nicht getürmt ist. Unter ihnen die Leiche
des Großvogts. Hans von Saldern hat keinen seiner Leute verloren. Zufrieden
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Anfang September 1514