stößt er den Degen in die Scheide, gesellt sich zu seinem Fürsten.
‘Das Lumpenpack hätten wir euch aus dem Wege geräumt, Durchlaucht! Der
eitle Bischof Johann Magerkohl möge den Unrat auflesen,’ knurrt er grimmig,
‘mitsamt seinem toten Wicht von Großvogt!’
Heinrich zieht den Hut, schwenkt ihn einmal und bedeckt sich wieder. Geste
des Dankes – oder vielmehr der Aufforderung, die Reise fortzusetzen? Was
immer des Welfen beredtes Schweigen ausdrücken mag, der Ritter ist es
zufrieden. Johann IV. wird den Zwischenfall benutzen, an ihm und seinen
Sippe Rache zu üben. Aber erst einmal hat er sein Mütchen gekühlt, grunzt
befriedigt und gibt seinem Pferd die Sporen. Im Galopp verlässt der herzogli-
che Trupp die Stätte blutiger Auseinandersetzung. Bis hin zur jenseitigen
Grenze des bischöflichen Machtbereichs wird kein Wort über den Gesetzes-
bruch verloren.
Sicher auf braunschweigischem Gebiet, nehmen Herzog und Ritter vorerst von
einander Abschied. Mit einem kräftigen Handschlag besiegeln sie ihre Freund-
schaft.
Der vertraute Anblick Wolfenbüttels, das er nun sein eigen nennt, lässt das
Herz des Heimkehrers nicht höher schlagen. Ein brüchiger Knüppeldamm
über das von Nebenarmen der Oker durchzogene morastige Vorgelände, dem
Verfall preisgegebene Wehranlagen; darauf ein paar niedrige Gebäude, über
deren windschiefe Dächer ein verwinkeltes Gemäuer mit zwei spitzen Türmen
hinausragt. Einem Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, regierenden
Reichsfürsten und Freund des Kaisers wenig angemessen ist diese Burg seiner
Väter – in ihrem jetzigen Zustand eher eine Schande, sinniert Heinrich bitter,
als er im Hof der fürstlichen Residenz vom Pferd steigt. Vor der zur Eingangs-
pforte führenden Freitreppe ist der Hofstaat zu seinem Empfang angetreten.
Rasch verscheucht er die trüben Gedanken, setzt ein gefälliges Lächeln auf,
zieht vor den Seinen den Hut – des Vaters altbekanntes Barett, ein prächtiges
Stück aus schwerem Samt.
Allen voran, erweist die Fürstin Katharina dem Sohn als neuem Landesherrn
in geziemender Form Reverenz. Beklommenheit beschleicht Heinrich der Mut-
ter gegenüber. Über ihren Gehstock gebückt, die Wangen eingefallen, wirkt sie
in ihrer Witwentracht zierlicher, als er sie in seiner Erinnerung hält. Eine klei-
ne, früh gealterte Frau.
Ganz in ihrer Nähe, nur halb verdeckt vom mütterlichen Schleier, drückt sich
ein noch bartloser Jüngling herum, deutet den vorgeschriebenen Kniefall gera-
de mal an. Sein pickeliges Gesicht ist voller Missmut.
Sieh an, denkt Heinrich flüchtig, Bruder Wilhelm wächst heran! Beachtung
schenkt er ihm nicht. Dem Zeremoniell Genüge getan, folgt er dem Wink der
Mutter, hilft ihr die Stufen hinauf. Durch das Halbdunkel des gleich hinter
dem Eingangsportal gelegenen Saales sind es wenige Schritte zum Gemach
der Herzogin. Hinter ihnen schließt sich die Tür. Sie sind allein.
‘Mein Heinze! Gut schaust du aus – unserem Herrgott sei Dank!’
30
Heimkehr nach Wolfenbüttel