sobald wir nur können, Oheim! Wie ihr selber sagt – vereint sind wir unschlag-
bar! Auf Christoph und Franz können wir bauen. Sie sind in erster Linie Wel-
fen, dem Hildesheimer zu nichts verpflichtet. Halten uns mit Bremen, Verden
und Minden den Rücken frei.’
Jetzt ist es an Erich von Calenberg, seinen Schreck zu verbergen. Er versucht es
hinter einer weltmännischen Miene.
‘Gewiss, gewiss! Hildesheim ist ein Schandfleck. Der Erwerb des Stiftsgebietes
würde uns gut zu Gesicht stehen – aber mit roher Gewalt? Nein – wir leben
nicht mehr im vorigen Jahrhundert, mein Heinze! Kaiser Maximilian hat auf
dem Wormser Reichstag von 1495 den Ewigen Landfrieden im Reich durchge-
setzt.
Wir Reichsstände haben als erste dem Fehdewesen abgeschworen. Vergiss
bitte nicht, dass es seither ein Reichskammergericht gibt, über unsere Strei-
tigkeiten nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Dahinter steht die Macht des
Kaisers. Sollen wir riskieren, in Acht und Bann zu geraten?’
‘Dann sprecht mit dem Kaiser, Oheim! Ist er nicht euer Freund? Besitzt ihr
nicht sein volles Vertrauen?’ Heinrich deutet auf die Beutefahne an der Wand.
‘Und könnt auf seine Dankbarkeit rechnen? Haben wir ihm nicht gerade unse-
re treue Gefolgschaft bewiesen, in Friesland? Das ist seine Fehde – die Macht
des Hauses Habsburg zu mehren!’
‘Nicht bevor Edzard in die Acht erklärt wurde. Somit ist der Feldzug eine
Strafexpedition, mit Fug und Recht.’
‘Ein Vorwand, Oheim, den wir auch für unsere Belange finden können. Johann
von Hildesheim mit seinen Ränken wird sie uns schon liefern, wenn wir ihn
noch ein wenig zwicken. Der Kaiser muss nur wollen. Wäre ein erstarktes Her-
zogtum im Norden des Reiches nicht wertvoll genug für ihn, der anderswo die
Hände voll zu tun hat?’
‘Gemach, Heinze! Maximilian ist leider alt und müde. Was ihn noch umtreibt,
ist die Bewahrung Habsburger Macht für seine Enkel. Spanien mit der Neuen
Welt, Burgund und die Niederlande, Italien, Ungarn und natürlich das Reich –
ahnst du nur, wer dem armen Mann da alles Knüppel zwischen die Beine wirft!
Aber ich werde mit ihm sprechen, sobald Gelegenheit ist. Seine Reise in die
Niederlande hat sich verzögert. Wir sollten ihm dort erst einige Zeit gönnen,
seine eigenen Dinge zu ordnen. Im nächsten Jahr, Heinze! Habe doch ein wenig
Geduld! Schaue, dass du unter die Haube kommst und einen Sohn zeugst!’
Heinrich sieht ein, dass ihn der Disput jetzt nicht weiter bringt. Schon gar
nicht will er es mit dem Oheim verderben.
‘Einverstanden,’ gibt er nach. ‘Doch seid so gut – wenn ihr dann mit dem Kai-
ser redet – vergesst nicht, ihn an das Geld zu erinnern, das er uns schuldet.
Euch wird er es nicht verweigern und wir brauchen es – sehr dringend sogar!’
Den leichten bitteren Unterton kann er sich nicht verkneifen.
Von Münden nach Kassel ist es nur ein Katzensprung. Der junge Herzog von
Wolfenbüttel kann auf einen herzlichen Empfang in der landgräflich hessi-
schen Residenz durch die Regentin Anna zählen. Er wollte es sich nicht neh-
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November 1514 bis Mai 1515