Seite 32 - Herzog_Heinrich

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men lassen, hatte er angekündigt, ihr und ihrem Sohn seine Aufwartung zu
machen – so sehr er auch in Eile wäre, nach Württemberg zu gelangen.
Auf Anhieb finden beide an ihm Gefallen. Nicht nur, weil er jung ist und sie
mit seiner Unbefangenheit besticht. Er bringt ihnen auch hübsche Aufmerk-
samkeiten mit. Ganz wie es sich schickt für einen einfühlsamen Besucher.
Natürlich wäre er von selbst gar nicht darauf gekommen. Erst der guten Tante
Katharina milde Zurechtweisung hatte ihn in Verlegenheit gebracht. In Münden
war er mit leeren Händen erschienen, gedankenlos. Kaum der Rede wert, aber
ein Versäumnis allemal! Ob er denn wenigstens ein Angebinde für seine Zukünf-
tige besorgt habe? Ein nettes Schmuckstück dürfte Maria schon erwarten.
Damit kann Heinrich dienen. Zwei schlichte goldene Ringe hat er besorgen
lassen. Zu mehr reichte es nicht.
‘Willst du als ausgemachter Geizkragen gelten, wie dein Vater?’ hatte ihn die
Gemahlin des weltmännischen Erich gerügt, in ihrer eigenen Schatulle
gekramt und eine mit buntem Edelgestein besetzte Brosche ausgewählt. ‘Bes-
ser erwähnst du nicht, dass sie von mir ist!’
Tante Katharina ist eben großzügig. Auch nicht ungeschickt in der Auswahl
von Geschenken für die Hessen. Das Kompliment muss ihr Heinrich machen.
Die in feines Leder gebundene Erstausgabe von Hermann Botes
Till Eulenspiegel
würde die Regentin Anna vom erlesenen Geschmack des Braunschweiger Her-
zogs überzeugen; ihr Bub seine helle Freude haben an der vom Kaiser Maximi-
lian stammenden Reitgerte mit Silberknauf. Dermaßen ausgestattet, dazu mit
einer Fülle guter Ratschläge, hatte Heinrich in Münden Abschied genommen.
In Kassel reitet er mit ansehnlichem Gefolge ein. Etliche junge Edelleute aus
dem Calenberger Land haben sich ihm angeschlossen – auf Geheiß ihres Fürs-
ten. Oheim Erich hält auf Stil – wie seine Gemahlin.
‘Ein Welfe muss doch einen geziemenden Eindruck machen, dazu noch als
regierender Herzog.’ Auch hatte ihm Erich einen seiner Kanzleiräte aufge-
drängt: ‘Dein zukünftiger Schwager zieht dich sonst über den Tisch; der Uz
hat einen miserablen Ruf. Ehevertrag hin, Ehevertrag her. Da hast du besser
einen an deiner Seite, der beschlagen ist in solchen Angelegenheiten!’
Am landgräflichen Hof bedarf Heinrich des gelehrten Beistands nicht. Wohl
aber des Wissens um die verworrenen Familienverhältnisse. Oheim und Tante
hatten sein Gedächtnis aufgefrischt. Es gibt da nämlich gleich zwei Landgrä-
finnen des gleichen Namens – Anna. Die eine, Regentin und Mutter des noch
unmündigen Landgrafen Philipp, ist die Witwe Wilhelms II., der seinem wil-
lensschwachen und im späteren Leben geistesgestörten Bruder Wilhelm I. – ja,
sie hörten beide auf denselben Namen, wie ihre Ehefrauen gleichermaßen
Anna hießen! – die Herrschaft in Hessen mit Erfolg streitig gemacht hatte. Seit
dem Tod der zwei Wilhelms liegen sich die beiden Annas in den Haaren.
Da ist die Witwe des aus der Macht verdrängten Wilhelms I. auch noch Hein-
richs Tante, eine Schwester seines Vaters und des Oheims Erich; ihre Rivalin,
die Regentin Anna, als Tochter des Herzogs von Mecklenburg, dagegen nur
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