Seite 33 - Herzog_Heinrich

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VI
Nur wenig Ruhe vor dem Sturm – 1515 bis 1519
Straßen und Plätze von Braunschweig schwelgen im Blumenschmuck, als der
Kurfürst von Mainz an der Seite des Landesherrn dem Rat der Stadt seine Auf-
wartung macht. Unter den aufmerksamen Augen der zum Gelage geladenen
Patrizier betonen die beiden Fürsten ihre freundschaftliche Verbundenheit, ehe
sich ihre Wege trennen. Albrecht reitet nach Magdeburg, Heinrich kehrt heim
in seine Residenz.
Noch ist kein Jahr vergangen, da ihm der jähe Tod des Vaters vor Leerort die
Last der Verantwortung für das Fürstentum aufgebürdet hat. Seither ist ihm
kaum Zeit geblieben, sich in Wolfenbüttel dem Regierungsgeschäft zu wid-
men.
Dennoch besteht einiger Anlass zur Genugtuung über das bisher Erreichte. In
Friesland hat er sich als siegreicher Heerführer hervorgetan und die Freund-
schaft des Herzogs Georg von Sachsen gewonnen, inzwischen auch die der
landgräflichen Familie in Hessen und des mächtigen Mainzer Kurfürsten.
Seine eigene Ritterschaft ist ihm treu ergeben, die Stadt Braunschweig zumin-
dest gewogen. Die württembergische Heirat untermauert seinen Anspruch auf
Alleinherrschaft. Allenthalben hat er sich Respekt verschafft, nirgendwo Fein-
de zugezogen.
Doch daran verschwendet der Rastlose nur wenige Gedanken. Ungeduld
treibt ihn um, nichts geht ihm schnell genug. Dabei sind die Fortschritte
unverkennbar: soweit es die sumpfige Niederung zuließ, ist gemeinsam mit
der Burg die Siedlung auf dem Damm befestigt, Wohnraum für das Gesinde
errichtet worden. Die Residenz erstrahlt noch nicht in hellem Glanz, ist aber
erweitert worden und wohnlich hergerichtet, ein Garten angelegt. Baumeister,
Maurer und Zimmerleute haben gute Arbeit geleistet, wenn ihnen auch für
aufwendige Materialien die Mittel fehlten.
‘Warum habt ihr das Dach mit Holzschindeln gedeckt, statt Schiefer zu ver-
wenden, wie ich befohlen habe?‘ bemängelt der Herzog.
‘Weil kein Geld dafür vorhanden war,‘ lautet die plausible Antwort.
Das Gleiche gilt für den Bau eines kleinen Hauses, das dem Kanzler zugleich
als Amtsstube und Bleibe dienen sollte.
‘Aufgeschoben, Euer Durchlaucht,’ bedauert der uneigennützige Beamte.
Wenigstens hat er das Steueraufkommen ein wenig verbessern können. Die
laufenden Aufwendungen für die Verwaltung entsprechen jetzt den Einnah-
men – bei äußerster Sparsamkeit, wohlverstanden. Um die Zinsen für die
Schulden des alten Herzogs aufbringen zu können, reichen die vom Landtag
bisher bewilligten Abgaben allerdings nicht aus. Gekümmert hat er sich auch
um andere Angelegenheiten, die dem Herzog am Herzen liegen. So die Beile-