Seite 34 - Herzog_Heinrich

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gung von Unstimmigkeiten mit der Landgrafschaft Hessen und die Versor-
gung des jungen Herzogs Erich.
Davon weiß Heinrich bereits. Erichs Versorgung ist nur noch eine Geldfrage,
über die er heute nicht weiter reden möchte. Warum zieht der Kanzler ein
Gesicht? Traut er sich nicht, neben den guten Nachrichten auch eine heikle
Angelegenheit vorzutragen? Wo ihn der Schuh drückt, ahnt der Herzog schon.
‘Wilhelm?’
Johann Peyn zögert. Er hat sich die Worte vorher zurechtgelegt, um in gehöri-
ger Form über das schwarze Schaf der herzoglichen Familie Klage zu führen.
Aber in diesem Punkt ist Heinrich der Jüngere empfindlich.
‘Mit Verlaub, Euer Durchlaucht – –‘
‘Hannes, sprich wie dir der Schnabel gewachsen ist,’ drängt dieser ungeduldig.
Den Untergebenen schmeichelt, wenn der Herzog ihn beim Vornamen nennt.
Das kommt selten genug vor. Also nimmt er kein Blatt vor den Mund. Der
junge Nichtsnutz habe ihn ständig an der Arbeit gehindert; großspurig ver-
langt, dass man ihn als Mitregenten betrachte, mit allen Vorkommnissen ver-
traut mache, Akten zur Einsicht überließe. Damit sei der Naseweis dann wenig
später erschienen, habe eine strenge Miene aufgesetzt und seine Meinung
kundgetan; die hat man sich Stunden lang anhören, dazu üble Beschimpfun-
gen ertragen müssen, wie ‚Schleimscheißer‘ und ‚Speichellecker‘. Eine Plage
sei das, mit diesem Aufschneider! Einem Kindskopf, der von Verwaltungsge-
schäften keine blasse Ahnung hat! Schließlich trägt man die Verantwortung,
wenn Seine Durchlaucht abwesend ist, bespricht sich allenfalls mit den zu
ständigen Räten berufenen Standesherren!
‘Genug davon, Hannes!’ unterbricht Heinrich den Redeschwall. ‘Ich werde
mir Wilhelm selbst vornehmen! Hier bestimmt nur einer und das bin ich. Dar-
über haben wir klare Verträge. Von meiner inzwischen geschlossenen Ehe und
dem sich daraus ergebenden klaren Recht auf Alleinherrschaft ganz zu
schweigen. Du hast klug gehandelt, dich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen.
Den Rest überlasse mir!‘
Johann Peyn tropft vor Aufregung der Schweiß über Stirn und Nacken. Er ver-
beugt sich tief vor seinem Fürsten. Der erwartete Zornesausbruch des gestren-
gen Herrn ist ausgeblieben. Wie ruhig und gelassen der sich geben kann! Nur
die zusammengezogenen Brauen um die tiefe Falte über der Nasenwurzel, der
verächtliche Zug um die Mundwinkel, seine vom Grimm geschwollene Unter-
lippe machen deutlich, was in dem Herzog vorgeht. Der kann sich des jünge-
ren Bruders doch nicht einfach entledigen. Das Bürschlein ist nun einmal
gegenwärtig und will ernst genommen werden. Wer möchte da schon in Sei-
ner Durchlaucht Haut stecken!
Diesem geht ganz ähnliches durch den Sinn. Am liebsten würde er Wilhelm –
ja was eigentlich? Einen handfesten Krach in der engsten Familie kann er jetzt
nicht gebrauchen. Da würde noch Verständnis laut für den armen Jungen ohne
Aufgabe im Leben, sinnvolle Zukunft. Eigentlich kein Wunder, dass er aufsäs-
sig wird. In Wolfenbüttel ist kein Platz für den Bengel. In die weite Welt sollte
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Nur wenig Ruhe vor dem Sturm