man ihn schicken. Doch das bedingte eine standesgemäße Ausstattung. Für
die fehlt das Geld.
Heinrich kommt eine naheliegende Idee. Er nimmt Papier und Feder, schreibt
einen Brief an Oheim Erich und schickt ihn noch am Abend durch einem ver-
lässlichen Boten nach Münden.
Am nächsten Morgen bittet er Wilhelm zu sich, schließt ihn brüderlich in die
Arme. Der Verdutzte hatte eher mit einem lautstarken Wutausbruch gerechnet.
Überrumpelt von des verhassten Cholerikers unerwarteter Herzlichkeit, wil-
ligt er in einen gemeinsamen Ausritt ein. Jenseits der Burganlage gibt Heinrich
sogleich schnellste Gangart vor, gebietet nach hitzigem Galopp über Stock und
Stein auf einer sonnigen Anhöhe Halt.
‘Der Platz lädt zum Verweilen ein. Sitzen wir ab, schlägt er vor,’ und beraten
uns ungestört. Vorab habe ich einige Neuigkeiten für dich.’
Seine Begegnungen mit der Regentin Anna und dem jungen Landgrafen Phi-
lipp von Hessen, die Umstände der württembergischen Heirat, Herzog Ulrichs
Untat im Wald von Böblingen, die innige Freundschaft mit dem Kurfürsten
von Mainz – Heinrich weiß sich geschickt ins rechte Licht zu rücken. Wilhelm
hört andächtig zu, taut langsam auf, zeigt Wissbegierde, schnappt nach dem
ausgelegten Köder.
Den hat Albrecht just zur rechten Zeit geliefert und Heinrich kann gut damit
umgehen. Die Zustände im Reich führt er ins Feld, des alten Kaisers Nachfol-
ge, den Geist der neuen Zeit. Ob Geldwirtschaft oder Fehdeverbot, Huma-
nismus oder Reichskammergericht – Heinrich fließen die Begriffe von den Lip-
pen, als sei ihm das alles täglich Brot. Den Landesherren gehört die Zukunft,
prophezeit er, sofern sie über ein beträchtliches Territorium gebieten, ungeteilt
und prosperierend. Was aber haben wir zu bieten? Einen ausgefransten Fli-
ckenteppich mit großem Loch in der Mitte, Schulden bis über den Hals und
keine nennenswerten Einkünfte!
Beredt kommt er zur Sache: der Schandfleck muss weg und Geld her. Die Aus-
einandersetzung mit Hildesheim ist früher oder später unausweichlich. Da
heißt es zusammenhalten, Fehden und Feindschaften meiden, sich alte Freun-
de erhalten, neue hinzugewinnen. Wie Georg von Sachsen, Albrecht von
Mainz, den zukünftigen Landgrafen Philipp von Hessen. Das sind schon
mächtige Verbündete. Oheim Erich baut auf das Wohlwollen des Kaisers. Aber
der ist alt, den Habsburgern wächst eine neue Generation heran. Um die sollte
man sich von jetzt an kümmern.
‘Darin bin ich einig mit unserem Calenberger Gevatter. Auf den ist Verlass. Nur
bedarf er gelegentlich eines gewissen Anstoßes zu Mut und Entschlossenheit,
wie sie ihn in jüngeren Jahren auszeichneten. Aber Gold wert ist seine Erfah-
rung; auch in Kriegen, wie er als kaiserlicher Feldherr oft genug bewiesen hat.’
Heinrich macht eine Pause, legt die Hand auf Wilhelms Knie.
‘Unser Oheim lädt dich nach Münden ein, dir dort eine geziemende Rolle als
Mitglied der Familie zuzuweisen. Ein großer Vorzug für uns alle. Ich habe Ver-
ständnis, wenn du dem tristen Wolfenbüttel keine Träne nachweinen und
75
1515 bis 1519