unverzüglich aufbrechen möchtest. Auch die gute Tante Katharina gilt es auf-
zurichten. Da könntest du ein gutes Werk verrichten und dich überdies lieb
Kind machen. Kehren wir heim, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Auch
den Zustand unserer Rüstungen sollten wir prüfen. Du wirst dein Eisenkleid
bald so benötigen, wie ich das meine.’
Wilhelm findet keine Widerworte. Was sollte er dem gewieften Herzog auch
entgegenhalten?
Den lästigen Bruder vorerst aus dem Wege, kann Heinrich daheim ungestört
schalten und walten. Zum ersten Mal seit Antritt der Regierung kommt so
etwas wie Routine in sein tägliches Leben. Er arbeitet gewissenhaft, frisst sich
durch Akten, scheucht den Kanzler herum, daneben eine Schar von Schrei-
bern. Was die nach seinem Willen in gestelzten Sätzen dokumentieren, prüft er
gewissenhaft. Erst dann greift er zur Feder, sein ‘HHzBvL’ – Heinrich der Jün-
gere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg – darunter zu setzen. Vertrauli-
ches und Familiäres, ob Artigkeiten oder Bezeugung seines Unwillens, bringt
er eigenhändig zu Papier; das schickt sich unter Gleichen von Rang und
Namen, auch wenn es viel Zeit am Schreibpult kostet. Zum ewigen Stubenho-
cker nicht geschaffen, steigt Heinrich bei gutem, wie bei schlechtem Wetter
zum Ausritt in den Sattel. Nichts liebt er mehr als die Jagd. So verbindet der
Herzog das Angenehme mit dem Nützlichen. Denn gleich ihm frönt seine Rit-
terschaft der Leidenschaft für das edle Weidwerk. Mal bittet er den einen, mal
den anderen Junker zu gemeinsamer Hatz und Einkehr. An Böcken, Sauen,
Hasen und Fasanen hat es genug in den Revieren rund um die heimelige Lie-
benburg und etliche andere fürstliche Häuser.
Bei Wildbret und Bier macht sich der Jagdherr die Nöte seiner adligen Gäste
zu Eigen, bindet sie an sich, schwört die Junker auf seine Pläne ein. Dem Trei-
ben des Bischofs von Hildesheim ist ein Ende zu setzen, im Hochstift Ordnung
zu schaffen. Im richtigen Moment zugunsten der weltlichen Herrschaft
gemeinsam für klare Verhältnisse sorgen, notfalls mit Gewalt – so lautet Hein-
richs Credo. Das findet offene Ohren. Doch die Zeit ist noch nicht gekommen,
gegen Johann IV. die Waffen zu ergreifen.
Erst einmal einigen sich am 16. Juni Wolfenbütteler, Lüneburger und kursächsi-
sche Räte auf den Inhalt eines Abkommens, das den guten Beziehungen unter
den drei Fürstentümern förderlich, keinesfalls aber als Bündnis gegen andere
Landesherrn zu verstehen sein soll. Letztere Klarstellung hat Johann Peyn durch-
gesetzt. Dennoch hat es Heinrich der Jüngere mit der Ausfertigung nicht eilig.
Mittels treuherziger Handschreiben laviert er zwischen dem Lüneburger Ver-
wandten und Oheim Erich, der seinen Schwager Georg nicht vergraulen will.
Aber ist nicht dessen Bruder, der fromme und biedere Herzog Heinrich von
Sachsen, ein eifriger Verfechter des Freundschaftspaktes mit den Welfen? Das
täuscht über die tiefen politischen Gräben nicht hinweg, die das herzogliche
Dresden vom kurfürstlichen Wittenberg trennen, argumentiert Erich. Georg
traue seinem Vetter mit dem Kurhut, der sich selbstgefällig Friedrich der Weise
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Nur wenig Ruhe vor dem Sturm