erkundigt sich der eine Heinrich scheinheilig bei dem anderen, was er von ihm
zu erwarten habe, wenn er sich gezwungen sehe, gegen den Bischof von Min-
den zu Felde zu ziehen. Heinrich der Jüngere verzieht keine Miene. Der Lüne-
burger hat also die Katze aus dem Sack gelassen! Nun heißt es, auf die Schnel-
le genügend Söldner anwerben – mit oder ohne eigenem Geld.
Der nächste Bote überbringt eine Nachricht Erichs von Calenberg, dass Johann
von Hildesheim ihm wegen der Übergriffe auf sein und seiner Verbündeten
Gebiet mit Kirchenbann gedroht und darauf zu Antwort bekommen habe,
kön-
nen die Pfaffen bannen, so können die Fürsten brennen
. Diese Erwiderung des
Oheims belustigt den Neffen.
Der dritte Ankömmling heißt Bartold von Rutenberg. Er bittet den Herzog im
Namen der Ritterschaft im Leinetal um schleunigste Hilfe. Während Bartold
auf Heinrich einredet, sprengen weitere Reiter auf abgehetzten Pferden über
die Brücke und durch das noch geöffnete Tor in den Schlosshof; voran, über
und über mit Staub bedeckt, Franz von Minden.
Atemlos berichtet er dem Bruder, was geschehen ist. Vor zwei Tagen sind Scha-
ren von Kriegsknechten unter Lüneburger und Hildesheimer Farben in sein
Stift eingefallen, ganz plötzlich. Einen Fehdebrief habe er vor demAngriff nicht
erhalten. Deshalb sei er unvorbereitet gewesen, habe den Gegnern nicht stand-
halten können und die Flucht ergreifen müssen. Mit Mühe habe er Calenberger
Gebiet erreicht und dort erfahren, dass die Angreifer ganz in der Nähe durch-
gezogen seien, allerdings ohne Schaden anzurichten. Auch von dem Fehdebrief
sei die Rede gewesen, dessen Überbringer ihn in Minden nicht mehr angetrof-
fen hätte. Sein festes Schloss Petershagen sei unter Belagerung und würde wohl
in die Hände der Eindringlinge fallen. Auch stände zu befürchten, dass sich die
Stadt Minden und die Ritterschaft des Landes ohne Gegenwehr ergeben und
Heinrich von Lüneburg huldigen würden. Im Calenbergischen fehle von
Oheim Erich jede Spur. Es hieße dort, er sei außer Landes gegangen.
Heinrich lässt Franz lamentieren, denkt sich sein Teil. Der unbedarfte, nur sei-
nem Vergnügen nachgehende Bruder ist bei seinen Untertanen unbeliebt und
ein ausgemachter Feigling. Mit einem solchen Verbündeten soll man Krieg
führen! Wo zum Teufel ist Oheim Erich?
Zu diesem Zeitpunkt, in der Karwoche, hatte Heinrich mit einem Angriff noch
nicht gerechnet, seine Frau zur Feier des Osterfestes schon nach Gandersheim
vorausgeschickt – zum Glück, denn dort ist sie erst einmal sicher. Von Bruder
Franz begleitet, folgt er jetzt nach. In Gandersheim haben sich auch etliche Rit-
tersleute eingefunden. Sie machen ihm klar, dass man längst nicht über genü-
gend Reiter verfügt, um in den Kampf eingreifen zu können. Man werde das
schon richten, erklärt er ihnen und fordert sie auf, sich vorerst nach Herzog
Erichs Befehlen zu richten, der würde schon wieder auftauchen. Zur Vorsicht
schickt er einen Vertrauten nach Münden zur Herzogin Katharina. Die Tante
möge sofort nach Kassel eilen und die Regentin Anna um Einlösung ihres Hilfs-
angebotes angehen. Außerdem sollte sie ihren Gemahl benachrichtigen, wo
immer der sich aufhalte. Ohne sich lange mit Österlichem aufzuhalten, hetzt er
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Die Hildesheimer Stiftsfehde