Speyer zum Reichskammergericht. Die Voraussage von Conrad König
bewahrheitet sich. Am 10. Juli betritt er des Herzogs Arbeitszimmer mit einer
soeben eingegangenen Vorladung.
Heinrich liest und wirft das Papier unter dröhnendem Gelächter auf den
schweren Eichentisch. Elende Pedanten, Leisetreter, Kümmelspalter, Rechts-
verdreher! Glauben die, ihn einschüchtern zu können, einen Herzog zu Braun-
schweig und Lüneburg, engsten Freund des allmächtigen Kaisers? Gegen
seine nicht enden wollenden Lachanfälle kann der Kanzler nur schwer ankom-
men. Mit spöttische Miene deutet er auf ein Blatt der bereit gehaltenen
umfänglichen Akte, ‘Durchlaucht werden gestatten,’ beruhigt er den Herzog
schließlich, ‘und die Gnade besitzen, sich den vorliegenden Artikel aus der
Wormser Reichsgerichtsordnung ins Gedächtnis zu rufen. Danach behält sich
die Kaiserliche Majestät Urteile über Fürstentümer selbst vor. Wie ist es nur
möglich, dass meine Herren Kollegen in Speyer dies übersehen konnten? Sie
haben ja nicht einmal das Recht, Durchlaucht wegen widerrechtlichen Vorge-
hens gegen die Bürger der Freien Reichsstadt Goslar zu rügen!’
Heinrich bekommt einen neuerlichen Koller. ‘Wunderbar, wunderbar,’ schüt-
telt er sich vor Lachen. ‘Das müsst ihr sofort dem hochlöblichen Dellinghausen
unter die Nase reiben, Herr König! Na schön, bereiten wir ihm und seinen
Auftraggebern auch noch anderweitig Vergnügen!’
Die zweifelhafte Freude bekommen die Goslarer schon am folgenden Tag zu
spüren. Da rückt Herzog Heinrich nämlich mit 150 Reitern und doppelt so vie-
len Fußknechten im Kloster Riechenberg an und lässt es mit Wall und
Geschütz befestigen. Mögen die Städter die Mönchsklause hinfort ruhig als
Trutzfeste ansehen! Am nächsten Morgen erscheint er mit seinem Kriegsvolk
an der Goslarer Landwehr. Lustvoll hauen die Knechte in den Baumbestand
des städtischen Knicks ein. Zeigt sich das grimmige Gesicht eines Bürgers,
fliegt ihm sogleich eine Musketenkugel um die Ohren. Gegen Mittag stellt der
Fürst seine Reiter auf dem erhöhten Platz vor dem Kloster Georgenberg auf,
von wo sie den verdutzten Goslarern bei der Verrichtung ihrer Geschäfte
zuschauen können. Erst am Abend gebietet er seinen Berittenen und Fuß-
knechten den Rückzug nach Riechenberg.
Die Goslarer gehen der von Conrad König ausgeheckten List auf den Leim.
Ihren Bürgermeister an der Spitze, brechen sie andern Tags in hellen Scharen
zum Georgenberg auf, machen das dortige Kloster mitsamt umliegender
Gebäude dem Erdboden gleich. Das ehemals dem Stift Hildesheim zugehörige
Anwesen ist seit 1525 Wolfenbütteler Hoheitsgebiet. Mir Fug und Recht sieht
sich Herzog Heinrich veranlasst, durch den Propst von Georgenberg beim
Reichskammergericht gegen die frechen Goslarer Bürger Klage wegen Land-
friedensbruch zu erheben – –
Der Streitgegenstand soll das Reichskammergericht über Jahre hinaus beschäf-
tigen. Geht es doch um gewichtige Hoheitsrechte, die Wertschöpfung an den
geförderten Erzen. Konnten zuvor Goslarer Bürger Gewinn daraus schlagen,
bescheren sie nun dem Herzog beträchtliche Einkünfte. Das Silber lässt sich in
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Der Streit mit Goslar um den Rammelsberg