gibt sich Doktor König niedergeschlagen, als er den Inhalt des Dokumentes
vorliest. Seine Durchlaucht, etc. etc., heißt es darin, solle bei Strafe jegliche
Form der Landesacht gegen die Grubenherren der Gewerke am Rammelsberg
unverzüglich aufheben, jene wieder in alle ihre Rechte einsetzen, den ihnen
entstandenen Schaden ersetzen und binnen Monatsfrist persönlich oder durch
einen Vertreter am Kammergericht zu Speyer erscheinen.
Heinrich ist außer sich. Hat er nicht gerade für den Kaiser ein schweres Opfer
gebracht? Da wagt eine Reichsinstanz, ihm mit Bestrafung zu drohen? Man
sollte das Mandat einfach ignorieren.
‘Wäre es nicht besser, wenigstens den Schein eines Rechtes zu wahren?’ wen-
det der Kanzler bekümmert ein.
‘Ich glaube, mir kommt schon die rettende Idee’ sinniert der Herzog zynisch.
‘Wenn wir diesen halsstarrigen Grubenherren einfach die Brennstoffe entzie-
hen, können sie nicht mehr arbeiten. Das brachte sie schon einmal zur Einsicht!’
Doktor König geht pflichtschuldig darauf ein:
‘Vortrefflich, Durchlaucht, euer Gedanke! Im Hessischen Rezess haben wir sei-
nerzeit der Stadt Goslar zwar zugestanden, ihren Bedarf an Holz und Kohle zu
decken. Aber war das nicht ausschließlich gemeint für den Hausbedarf der
Bürger? Man könnte es so auslegen – haben doch gerade dazumal das Berg-
werk und die Hüttenbetriebe stillgelegen!’
Eine Ausrede, derer man sich sofort bedient. Jetzt hat Wolfenbüttel zwar kei-
nen Verdienst am Bergwerk, aber auch die hinter das Licht geführten Goslarer
gehen leer aus. Der Kanzler macht sich sogleich an die schriftliche Begrün-
dung der Einrede.
Heinrich atmet durch. Noch hat ihm Karl V. die Kosten des Italienfeldzuges
nicht vollständig ersetzt. Klamm wie er ist, wird der Kaiser die Rechnung doch
lieber durch Freundlichkeiten, als mit barem Geld begleichen wollen! Sein
gefälliges Machtwort in harte Dukaten umzumünzen, hat man hier noch nicht
verlernt! Am Ende bezahlen dann Wolfenbüttels Feinde die Zeche – –
Aus dem Faschingsvergnügen in Braunschweig wird 1529 wieder nichts. Zwar
hat der Stadtrat den von Konrad Gossel angekündigten, reumütig klingenden
Brief geschrieben und Heinrich von Gewaltmaßnahmen abgesehen, doch
bekommt die Stadt den Groll des Landesherrn sehr deutlich zu spüren – nicht
nur durch sein Fernbleiben von ihren Festlichkeiten. Nach einer Prügelei zwi-
schen Chorschülern von Sankt Blasien und städtischer Jugend weist er deren
Rädelsführer aus. Der Rat kann nicht einschreiten, da es zu den Handgreiflich-
keiten auf dem Gebiet des Stifts gekommen war. Als die Knochenhauer wäh-
rend der Fastenzeit Fleisch verkaufen, muss sich der Rat aus Wolfenbüttel
Schelte wegen des
fleischfressen
gefallen lassen. Anschuldigungen und Recht-
fertigungen gehen hin und her, die städtische Bevölkerung pocht auf ihre Frei-
heit, der Herzog auf sein Recht, der Stadtrat laviert zwischen beiden.
Im März bricht im Fürstentum die Schweißseuche aus, die viele das Leben
kostet. Davon unberührt, reitet der Landesherr nach Speyer. Nicht, um endlich
der Anordnung des Kammergerichts Folge zu leisten, sondern dem Reichstag
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Die Eskalation des Glaubensstreites