Seite 62 - Herzog_Heinrich

Basic HTML-Version

aus Italien zurückgekehrt, bedrängt dieser seinen Bruder Heinrich, mit Waf-
fengewalt in das Ordensland einzufallen. Der denkt trotz seiner anderweitigen
Probleme ernsthaft darüber nach, als ihm Erichs Tod am 8. September 1531
die Entscheidung abnimmt.
Nach Franz von Minden trägt Heinrich nun den zweiten Bruder in Wolfenbüt-
tel zu Grabe. Unter den Trauergästen erblickt er auch Asche von Cramm. Der
Herzog ist diesem Edlen besonders zugetan – nicht zuletzt wegen dessen treu-
er Dienste in Italien und nachfolgender Heimführung der dort verbliebenen
Krieger. Daher verwundert ihn, dass der Ritter seinem Blick ausweicht und
sich abseits hält. Er nimmt ihn beiseite und spricht ihn darauf an. Asche von
Cramm nimmt sich ein Herz: er werde dem Herzog immer ein treuer Lehns-
mann sein und ihm auch weiterhin unbeirrt Gefolgschaft leisten, aber in Fra-
gen der Religion dächten sein Weib und er evangelisch. Er stände mit Martin
Luther im Briefwechsel, ohne davon ein Aufsehen zu machen. Der Reformator
sei Pate ihres jüngsten Kindes geworden. Heinrich seufzt, legt aber seinen Arm
vertrauensvoll um des aufrichtigen Ritters Schulter. Von Laienkelch und latei-
nischer Messe hänge nicht die Seligkeit ab, sagt er begütigend. Niemand soll
gezwungen sein, in Glaubenssachen gegen sein Gewissen anzugehen. Solange
er seine religiöse Gesinnung weder zu Markte trage, noch seinem Fürsten den
Gehorsam verweigere, werde dieser ihm Freundschaft und Vertrauen bewah-
ren. Asche von Cramm schnäuzt sich gerührt und meidet nicht länger Hein-
richs Nähe.
Erich von Calenberg ist ohne seine Frau Elisabeth zur Beerdigung des Neffen
erschienen. Nach dem Totenschmaus ziehen sich die beiden Fürsten zu einem
Zwiegespräch zurück. Er werde fortan den kaiserfreundlichen Deutschmeister
Walter von Cronberg unterstützen, sagt Heinrich; schon wegen des Bruders
Georg, dem er bisher kein geistliches Amt von fürstlichem Rang verschaffen
konnte. Der Oheim pflichtet bei, begehrt sodann zu wissen, ob Karl V. endlich
den Primogeniturvertrag unterzeichnet habe. Dessen Ausfertigung sei beim
Vizekanzler Matthias Held in guten Händen, entgegnet Heinrich. Dieser habe
ihm Unterschrift und Siegel des Kaisers zugesagt, ehe der das Reich in Rich-
tung Spanien verlasse.
Heinrich macht seinem Ärger über die Stadt Braunschweig Luft. Die gegensei-
tigen Beziehungen hätten sich derart verschlechtert, dass er nicht einmal mehr
seines Vergnügens wegen dorthin reiten möge – von geldlichen Angelegenhei-
ten ganz zu schweigen.
Dafür habe er jetzt gegenüber Goslar freie Hand, tröstet ihn Erich – dem Land-
grafen sei Dank! Als Ersatz für frühere Fastnachtsfreuden in Braunschweig
werde er im nächsten Winter eine Mummerei in Münden veranstalten und
dazu auch Philipp von Hessen bitten.
Tatsächlich folgt der Landgraf dieser Einladung. Anfangs gestaltet sich das
Wiedersehen der entzweiten Freunde recht frostig. Philipp redet Heinrich mit
‘Euer Liebden’ an, der alsbald das ausgelassene Treiben des Mummenschanzes
nutzt, wenigstens die steife Förmlichkeit zwischen ihnen zu beenden. Wieder
186
Mummenschanz und Schabernack