XVI
Der Freunde werden weniger, der Feinde umso mehr
1539 bis 1542
Ohne Zwischenfälle in Frankfurt angelangt, stößt der Herzog
von Wolfenbüttel in seiner Herberge auf den Neffen Georgs
von Sachsen, Herzog Moritz. Von dem selbstbewussten, aber
sehr umgänglichen jungen Mann erfährt er, dass dessen geis-
tesschwacher Vetter Friedrich in Dresden verstorben ist. Hein-
rich kennt die Folgen – Georg besitzt keine Leibeserben mehr.
Das Herzogtum Sachsen würde an seinen protestantischen
Bruder Heinrich von Leipzig fallen, Vater des Sechzehnjährigen, der hier vor
ihm steht. Der spricht in höchsten Tönen von Philipp von Hessen, mit dem er
verabredet ist. Heinrich hält dem nichts entgegen, zeigt sich von seiner
gewinnenden Seite. Im Stillen nimmt er sich vor, den Jüngling mit Hilfe des
Ministers Carlowitz auf seine Seite zu ziehen. Mit diesem trifft er anschlie-
ßend zusammen. Carlowitz muss bekennen, den ihm anvertrauten jungen
Verwandten seines Herrn von der einmal gefassten Zuneigung zu Philipp
von Hessen nicht abbringen zu können. Beide stimmen überein, dass dessen
Einfluss große Gefahren birgt. Doch noch ist Georg der Bärtige nicht tot.
Heinrichs Ratschlag an ihn lautet, das Testament zugunsten König Ferdi-
nands zu ändern, um das Herzogtum vor dem Protestantismus zu bewahren.
Carlowitz zuckt die Schultern. Er will es gern ausrichten, befürchtet jedoch,
dass Herzog Georg nicht darauf eingehen wird, zumal er einen alten Groll
gegen die Habsburger hegt.
Noch am gleichen Abend sucht Heinrich eine Schenke auf, in deren verschwie-
gener Hinterstube Matthias Held auf ihn wartet. Er wird den Besprechungen
nur noch als Zuhörer und Berichterstatter an den Kaiser beiwohnen, erklärt
der Vizekanzler mit einer Geste des Bedauerns. Ohne Zweifel missbillige der
Großkanzler seine Art des Vorgehens.
Was er unter eigenwilliger Auslegung des kaiserlichen Willens zu verstehen
habe, begehrt Heinrich zu wissen.
Matthias Held klärt ihn auf: ‘Papst Paul III. und König Franz von Frankreich
widersetzen sich nicht mehr grundsätzlich dem Drängen Karls V. auf ein Kir-
chenkonzil. Dem Heiligen Stuhl geht es dabei jedoch um nichts anderes als die
Festigung des Katholizismus. Karl V. dagegen beharrt auf grundsätzlichen
Reformen der Kirche als Voraussetzung zur Wiederherstellung der religiösen
Einheit. Dahinter steht seine Furcht vor dem Ruin des Hauses Habsburg, wenn
das Reich am Glaubenszwist zerbräche. Er korrespondierte darüber mit sei-
nem Bruder in Wien und trug mir auf, daselbst mit Ferdinand gewisse Wider-
sprüche zu erörtern. Die persönliche Verbrüderung Karls mit Franz I. darf