nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Nizza lediglich eine zehnjährige Waf-
fenruhe vereinbart wurde, das Generalkonzil aber erst nach einem endgülti-
gen Friedensschluss stattfinden soll, zu dem es weder Franzosen noch Papst
drängt. An Pauls Konzilsbereitschaft hatte ich stets meine Zweifel. Die hegt
König Ferdinand gleichermaßen. Weil der Verlust kaiserlicher und königlicher
Autorität den Türken Tür und Tor ins Reich öffnen würde, ängstigen ihn die
jüngsten Drohgebärden der Protestanten weit mehr als Karl. Wir sind uns
darin einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Entweder ist das Gene-
ralkonzil in alleiniger Regie des Kaisers – als
advocatus ecclesiae
– oder eine
Nationalversammlung abzuhalten. Auf Zugeständnisse an die Protestanten in
theologisch nicht relevanten Fragen wird man sich so oder so einlassen müs-
sen. Zuvor aber muss das bestehende Ungleichgewicht der Kräfte zwischen
beiden Lagern beseitigt werden. Deshalb ermächtigte mich Ferdinand zur
Gründung der Katholischen Liga als Defensivbündnis. Granvelle geht das
wohl zu weit. Er hat das Ohr des Kaisers und der lässt mich ungerührt fallen.’
Matthias Held hebt bekümmert die Schultern, unterstreicht mit gespreizten
Fingern seine Hilflosigkeit.
Heinrich hat mit leicht zur Seite geneigtem Kopf zugehört. Jetzt zieht er die
buschigen Brauen zusammen.
‘Potz Donner, Gevatter Matthias,’ platzt er heraus, ‘das darf nicht sein. Ich
werde von hier nach Sevilla reiten, Madrid oder Barcelona – wo immer ich
Karl finde!’
‘Gemach, Herzog Heinrich!’ warnt der Vizekanzler, ‘euch fehlt meine Erfah-
rung im Umgang mit den Majestäten. Wenn es denen nicht in den Kram passt,
rühren sie keinen Finger – weder der König für mich, noch der Kaiser für euch
– mit Verlaub!’
Ohne Heinrichs Einwand abzuwarten, ruft er nach dem Wirt, und bestellt eine
weitere Kanne Wein.
‘Ich sollte mich nicht so gehen lassen,’ entschuldigt er sich beim Einschenken.
‘Im Vertrauen – Seine Majestät hat mich lediglich von meiner Mission im Reich
abberufen, nicht als Vizekanzler. Lasst mich erst einmal nach Spanien zurück-
kehren. Von dort werde ich euch berichten, ob ich der gemeinsamen Sache
weiterhin förderlich sein kann.’
Heinrich nimmt einen kräftigen Schluck Wein aus seinem nachgefüllten
Becher. Matthias Held nippt nur an dem seinen.
‘Noch etwas liegt mir auf der Seele, Herzog Heinrich,’ sagt er nach einer
Pause. ‘Ich bin es euch schuldig, nicht darüber zu schweigen. Hier in der Stadt
versuchen eure Gegner, euch schlecht zu machen. Meine Amtskollegen haben
spitze Ohren, Sie hinterbringen das Gehörte dem Großkanzler und der flüstert
dem Kaiser zu, was man hier über euch munkelt – dass ihr einen Gesandten
der Freien Reichsstadt Goslar überfallen und entführen ließet, der zuvor von
Seiner Majestät empfangen worden war. Zu Augsburg soll es gewesen sein,
gleich nach dem Reichstag von 1530. Weil der Mann samt seinen Dokumenten
seither spurlos verschwunden ist, wahrscheinlich von Räubern umgebracht,
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1539 bis 1542