Seite 70 - Herzog_Heinrich

Basic HTML-Version

schieben das die Goslarer jetzt einfach euch in die Schuhe! Angeblich hieltet
ihr jenen Unglücklichen hinter Schloss und Riegel! Eine Verleumdung, der ich
entgegentreten werde – wenn ihr es wünscht!’
‘Kaum der Rede wert, guter Freund!’ überspielt Heinrich seine Betroffenheit
mit biederer Unschuldsmiene. ‘Hm – ja! Es gab da etwas mit einem gewissen
Doktor Dellinghausen. Wenn ich mich recht erinnere, wurde er auf dem Heim-
weg nach Goslar von Banditen überfallen. Jedenfalls fanden ihn, arg zugerich-
tet, ganz zufällig Leute von mir. Sie halfen ihm auf die Beine und brachten ihn
an einen sicheren Ort, wo er wohl bald darauf seinen Wunden erlag und ein
christliches Begräbnis fand. Seine Briefschaften wurden damals mir über-
bracht. Da sie wüste Anschuldigungen gegen uns enthielten – nichts als Lügen
– sah ich keinen Anlass, von der Sache Aufhebens zu machen. Wenn man mir
jetzt einen Strick daraus drehen will?’
Geht ein Gespenst um? Nach Jahren in einem Wolfenbütteler Kerker ist Del-
linghausen dort erst kürzlich eines natürlichen Todes gestorben. Der Herzog
hatte den unliebsamen Advokaten schlicht vergessen. Höchst unangenehm,
wenn man ihm auf die Schliche käme!
‘– – weil ihr unbeugsamen Sinnes seid, Gott gelobt,’ fährt der Hofrat fort,
‘trachtet man euren guten Namen zu besudeln; hängt euch des windigen Gos-
larer Syndikus spurloses Verschwinden an und dazu noch das einer hessi-
schen Hofdame im Dienst Ihrer Hoheit, eurer Gemahlin. Sagt euch ihr Name
etwas, Eva von Trott?’
Auch das noch! denkt Heinrich. Dass der Schwindel früher oder später aufflie-
gen würde, war nicht auszuschließen gewesen. Für alle Fälle hatte er sich
wohlweislich ein Sprüchlein gelegt, das ihm jetzt glatt von den Lippen fließt,
‘– – eine ehrbare Jungfer, die Trottin, und ein hübsches junges Ding obendrein!
Da mochte ein gestandenes Mannsbild schon schwach werden, wenn sie ihm
über den Weg liefe! Die Herzogin hatte sie in ihr Herz geschlossen. Von Zeit zu
Zeit gewährte sie ihr Urlaub, die Verwandtschaft im Hessischen zu besuchen.
Eine dieser Reisen brachte sie nicht ans Ziel. Unterwegs erlag das arme Kind
einem plötzlichen Fieber – wahrscheinlich der Pestilenz, wie Amtmann und
Pfarrer vermuteten. Sie sorgten für ein christliches Begräbnis und übersandten
uns den Totenschein. Ein herber Verlust, von dem ein Brief der Herzogin den
Hinterbliebenen mitfühlend Kenntnis gab. Neuerdings kam mir zu Ohren,
dass die Seele der Verstorbenen in der Nähe von Gandersheim spukt. Von
einer Mädchengestalt in weißem Gewand wird gemunkelt, die nächtens durch
umliegende Gärten schwebe. Einfältiger Weiber Hirngespinste!’
‘Das wird es wohl sein,’ zeigt sich der Hofrat befriedigt; ‘dümmliche Gerüchte
kommen rascher voran als selbst die Postkuriere des Messire Taxis!’
‘Seid unbekümmert, Freund Matthias,’ bekräftigt Heinrich, mit der Wirkung
seiner Worte mehr als zufrieden, ‘und habt Dank für euren Hinweis. Meine
Räte werden sich gegen derlei boshaftes Geschwätz unserer Feinde gehörig
verwahren. Gelanget ihr nur wohlbehalten nach Spanien und richtet Seiner
Kaiserlichen Majestät aus, dass ich keine Mühe scheue, der Sache unseres hei-
214
Der Freunde werden weniger, der Feinde umso mehr