XVII
Zwischen allen Fronten – Vertreibung und Verrat
1542 bis 1545
Unversöhnlich feindselig gesinnt ist ihm unter seinen Gegnern vor allem Philipp
von Hessen. Der ehemalige Freund hetzt andere auf, drängt sie aus ihrer
Gleichgültigkeit. Stürmisch und voreilig, schwankt Moritz von Sachsen hin
und her zwischen den Parolen seines Schwiegervaters und dem mäßigenden
Einfluss seines Ministers Georg von Carlowitz. Eine eigene Meinung über den
unruhigen Mann
in Wolfenbüttel hat er sich noch nicht gebildet. Der phlegmati-
sche Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen gilt nicht nur seines Leibesum-
fangs wegen als Schwergewicht im Schmalkaldischen Bund. Dessen übrige
Mitglieder – mit Ausnahme der vom Wolfenbütteler Landesherrn unter Druck
gesetzten Städte Goslar und Braunschweig – wollen eigentlich lieber den vom
Kaiser schwer erkauften Frieden bewahren und üben Zurückhaltung.
Heinrich weiß darum. Seine Späher haben ein wachsames Auge. Kaum haben
sich die Fürsten nach ihrem Abkommen von Naumburg getrennt, sind einem
von ihnen – Moritz – schon Bedenken gekommen. Entspricht die Stoßrich-
tung des Schmalkaldischen Bundes tatsächlich seiner politischen Grundein-
stellung? Sollte er die nicht besser an der Macht des Hauses Habsburg aus-
richten, wie jener Heinrich von Wolfenbüttel, den man demnächst bekriegen
will – oder auch sein Oheim Georg, der bis zu seinem Tod gut damit gefahren
ist? Können die Habsburger so undankbar sein, ihre beste Stütze in Nord-
deutschland, eben diesen Heinrich, in Zukunft ganz fallen zu lassen? Moritz
mag es nicht glauben; trotz des Abkommens, das sein Schwiegervater in
Regensburg mit dem Kaiser geschlossen hat. Carlowitz hält den Landgrafen
für blindwütig in seinem Hass auf den einstigen Freund, die Geschichten für
maßlos übertrieben, die über den bösen Heinze erzählt werden. Die in Ehren
ergrauten Dresdner Räte werden nicht müde, ihren jungen Herzog aus den
vorschnell eingegangenen Bindungen gegen den guten Freund Georgs des
Bärtigen weitestgehend wieder zu lösen. Der siebzigjährige Carlowitz flößt
auch dem vorsichtigen, langsam denkenden Kurfürsten Johann Friedrich
Bedenken ein. Diese kommen in einem Brief zum Ausdruck, den der Land-
graf im Dezember 1541 von seinem sächsischen Verbündeten erhält. Vetter
Moritz und er – schreibt der Kurfürst – sei zwar noch immer der Tag Reminis-
cere, also der 5. März, angenehm für den Kriegsbeginn. Aber man habe ja erst
vor drei Wochen die Ausschreibung des Reichstages zu Speyer erhalten. Der
könne sich gut über das genannte Datum hinziehen. Der Wolfenbütteler
würde den Reichstag bestimmt persönlich beschicken, könnte die Angreifer
an Ort und Stelle wegen Landfriedensbruch verklagen und wäre daheim
nicht einmal zu fassen.