XVIII
Kerker, Einsicht und Triumph – 1545 bis 1547
Ohne den Blick zu wenden, von schwer bewaffneten Reitern eingekeilt, folgt
Heinrich dem Feind in dessen Lager. Karl Viktor weicht ihm nicht von der
Seite. Ein einziger des Gefolges wagt es, ihnen nachzureiten – Hans von Lacz.
Vor seinem prunkvollen Zelt springt Philipp vom Pferd und winkt Moritz, mit
ihm einzutreten. Worauf sich beide so den fragenden Blicken der Genasführ-
ten entziehen. Ihre Durchlauchten möchten sich als Gefangene verstehen,
macht diesen der wachhabende hessische Ritter deutlich. Jetzt endlich begehrt
Heinrich auf, verlangt lautstark nach Moritz – wenn der ihm nicht zu seinem
Recht verhelfe, ritte er auf der Stelle zurück! Doch sein Gebrüll ist sinnlos.
Geraume Zeit verstreicht, ehe ein Diener aus dem Zelt des Landgrafen tritt.
Seine Gnaden fordere Ihre Durchlauchten auf, zu reiten, wohin man sie gelei-
ten werde. Vater und Sohn fügen sich. Sie haben keine andere Wahl. Ihr Bewa-
cher stellt sich als Simon von Pamelberg vor. Er habe sie über Nörten, Göttin-
gen und Witzenhausen nach Kassel zu bringen.
Es ist gerade Mittag, als sie durch Göttingen reiten. Viele Neugierige säumen
ihren Weg. Vom Glockenschlag der Kirche Sankt Johann ermutigt, stimmt die
Menge das lutherische Lied ‘Erhalt uns Gott bei deinem Wort’ an. Geläut und
Gesang stechen dem Herzog ins Herz, klingen ihm wie Spott und Hohn. Ins-
geheim schwört er den Bürgern Rache.
Am 23. Oktober, während einer Rast in Witzenhausen, schreibt Heinrich an
Moritz von Sachsen, beklagt die gewaltsame Wegführung, erinnert an das
gegebene Ehrenwort und bittet, die versprochene Vermittlung zu einem guten
Ende zu führen.
Unbemerkt fertigt er noch rasch eine Abschrift an. Die übergibt er dem bisher
unbeachtet gebliebenen Hans von Lacz. Der solle sie dem Markgrafen von
Küstrin überbringen und diesen ersuchen, seinen Schwiegervater nicht im
Stich zu lassen.
Im Kassel angelangt, werden die Gefangenen vor den Statthalter Rudolf von
Schenk geführt. Mit dürren Worten stellt der Herzog fest: er habe sich nicht
ergeben. Auf Treu und Glauben sei er mit dem Herzog von Sachsen zum
Landgrafen geritten, freiwillig und nicht aus Angst. Ohne Zusage freien
Geleits wäre er Moritz nicht gefolgt, sondern hätte die Schlacht geschlagen.
Tausende hätten sterben müssen, ehe man sich dem Feind ergeben hätte – er
und sein Sohn, die so furchtsam und feige noch nicht wären. Das sollte der
Herr Statthalter dem Landgrafen nur anzeigen!
Er wolle es gern ausrichten, verspricht der Hesse höflich. Mit einer Geste des
Bedauerns bedeutet er Ihren Durchlauchten, sie nunmehr voneinander tren-
nen zu müssen. Kurzerhand wird Karl Viktor abgeführt. Den vergeblich dage-