che und beruhigende Regelung der Nachfolge zunichte gemacht. Nun muss
Heinrich mit dem ungeliebten Julius vorlieb nehmen. Notgedrungen hat er ihn
zwar zum Erben und Nachfolger erklärt, aber erst einmal auf den Bischofssitz
von Minden abgeschoben. Vielleicht gibt es doch noch einen Ausweg – kommt
Zeit, kommt Rat!
Julius erweist seinem Vater nicht den Gefallen, darauf zu hoffen. In Minden
fühlt er sich fehl am Platz. Wie kann er, der alten Glaubenslehre aus tiefster
Überzeugung abhold, im protestantisch gesinnten Umfeld seiner Diözese den
streng katholischen Oberhirten herauskehren? Andererseits fürchtet er – kaum
zu Unrecht – dass dem alten Herzog irgend ein fauler Trick einfiele, sein Nach-
folgerecht zu umgehen. Freunde hat er daheim keine, kann sie sich aus der
Ferne auch nicht schaffen. So fasst er schon im Januar 1554 aus eigenem
Antrieb den Entschluss, der geistlichen Pfründe zu entsagen, dankt ab und
kehrt nach Wolfenbüttel zurück. Sich beizeiten mit Fleiß und Hingabe auf das
Amt vorbereiten zu können, für dessen dereinstige Übernahme der Vater ihn
bestimmt habe, begründet er den unverhofften Schritt. Ungerührt nimmt der
Herzog das zur Kenntnis und belässt es vorerst dabei. Den vakante Bischofs-
sitz im Westen versteht er geschwind mit seinem Bruder Georg zu besetzen.
Der ist in jedem Fall des hohen Amtes würdig und gewachsen. Dem herzog-
lichen Haus bleibt Minden auf diese Weise erhalten.
Was soll er mit Julius anfangen, fragt sich Heinrich. Zunächst fügt er der
Unterwerfungserklärung vom Vorjahr, die der Sohn gehorsam unterzeichnet
hatte, am 19. Januar noch eine erniedrigende Verhaltensordnung hinzu. Julius
schluckt auch dieses, schickt jedoch eine Abschrift an seinen Vetter Christoph
von Württemberg. Der schüttelt nur den Kopf. Was da geschrieben steht, mag
der Maßregelung eines Lausbuben gelten, nicht aber dem fünfundzwanzigjäh-
rigen Thronerben zur Richtschnur dienen. Von der Pflicht zur Teilnahme an
Gottesdiensten ist die Rede, dem Verbot von Gelagen, Empfang von Besuchern
ohne Wissen des Vaters; wöchentliche Übungen im Schreiben von Briefen sind
vorgeschrieben sowie Lektionen durch den Medicus Arnold Römer in lateini-
scher und französischer Sprache. Ausdrücklich untersagt wird dem sicherlich
sehr kurz gehaltenen jungen Mann jegliches Borgen von Geld.
Wie peinlich, denkt Christoph! Doch Julius beklagt sich darüber nicht. Allein
die Auflage von österlicher Beichte und Kommunion mache ihm schwer zu
schaffen, vertraut er dem protestantischen Vetter an, denn bei allem schuldi-
gen Gehorsam werde er diese Missachtung seines religiösen Gewissens nie
und nimmer hinnehmen.
Was soll man darauf antworten? Ganz im Gegensatz zu seinem Vater Ulrich ist
der Schwabe ein nachdenklicher Fürst, der die Wirkung seiner Äußerungen
gründlich abwägt. Für den engstirnigen alten Heinze hat er nicht viel übrig und
kann die Schmach des kaum viel jüngeren Vetters sehr wohl nachempfinden,
auch seine Gewissensnot. Aber ist es nicht wichtiger, ihm Gehorsam und Geduld
anzuraten, damit es Julius nicht ergeht, wie dessen unglückseligen Oheim Wil-
helm? Außerdem ist Vorsicht geboten. Die Briefschaften könnten allzu leicht in
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