XXII
Eine zweite Heirat, ein neuer Kanzler und der Erbe
1555 bis 1558
Der Entschluss ist gefasst – Wolfenbüttel wird eine neue
Herzogin bekommen – auf schnellstem Wege! Man hat
nicht lange auf Brautschau zu gehen. Die Auserwählte
steht bereits fest. Sie heißt Sophie, ist 33 Jahre alt und
Schwester des im fernen Polen regierenden Königs
Sigismund August aus dem Geschlecht der Jagiellonen.
Die Mutter der Braut ist Italienerin – Bona Sforza. Hoch-
gebildet, temperamentvoll und politisch sehr aktiv, hat die Königinmutter
lediglich versäumt, ihre drei Töchter beizeiten unter die Haube zu bringen.
Seit Jahren werden sie – obwohl als anmutig, wohlerzogen und ohne jeden
Fehl beschrieben – auf dem Heiratsmarkt europäischer Fürstenhöfe gehandelt.
Heinrich war nicht verborgen geblieben, dass man an der Weichsel schon nach
seinen Söhnen Karl Viktor und Philipp Magnus geschielt, sogar ihn selbst als
möglichen Bräutigam in Erwägung gezogen hatte. Dann war der ältliche Her-
zog des an Polen und Litauen angrenzenden ehemaligen Ordenslandes Preu-
ßen als Ehekandidat ernsthaft im Gespräch gewesen und zugleich der Mark-
graf von Brandenburg-Kulmbach. Ersteren verweigerte der Kaiser die Heirats-
genehmigung. Der zweite, Albrecht Alcibiades, war als eines der letzten Exem-
plare mittelalterlicher Raubritter dem polnischen König nicht geheuer. Doch
Sigismund August war wichtiger, zunächst seine älteste Schwester versorgt zu
sehen
.
Darüber war diese – Sophie – ernstlich erkrankt, 1552 auf Leben und
Tod danieder gelegen und erst wieder genesen, als der Abenteuerer Albrecht
Alcibiades schon längst nicht mehr zur Debatte stand. So sind die Töchter des
verstorbenen Königs Sigismund von Polen – alle drei eine ausgezeichnete Par-
tie – noch immer unvermählt.
Kaum heimgekehrt, bringt Heinrich seine Bewerbung um die Hand einer der
polnischen Königstöchter zu Papier und schickt damit eine Gesandtschaft nach
Warschau. Dort erhalten die Abgesandten schon am 18. August 1555 eine erste
Zusage – sowohl Königin Bona wie König Sigismund August wäre die Ehe einer
der Jagielloninnen mit Herzog Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig-Wol-
fenbüttel, einem erstrangigen Reichsfürsten, Stütze des Katholizismus in Nord-
deutschland, durchaus genehm. Zwar genießt dieser Kriegsheld, leidenschaftli-
che Jäger und Hüne von Gestalt in der Öffentlichkeit einen eher zweifelhaften
Ruf, gilt als unberechenbar jähzornig. Doch das ist zweifellos übertrieben, von
seinen Widersachern in die Welt gesetzt. Als eifriger Anhänger der Habsburger
und entschiedener Gegner des Luthertums,
wilder Mann von Wolfenbüttel,
auch
Werwolf, Mordbrenner
und
Jungfernschänder
geheißen, führt man am polnischen