Seite 91 - Herzog_Heinrich

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‘ – - und das wäre?’
Der Sekretär vergewissert sich, dass kein Lauscher hinter der Tür verborgen
ist. Dann trägt er leise, in verschwörerischem Ton, seine Entdeckung vor. Her-
zog Julius – so habe er herausgefunden – stehe mittels eines jungen Bedienste-
ten namens Jakob Ziegler im Briefwechsel mit einigen Anverwandten gleichen
Alters. Zweifellos führe er bei Herzog Christoph von Württemberg, Markgraf
Hans von Küstrin und auch dem jungen Landgrafen Wilhelm von Hessen
Klage über die schlechte Behandlung, die er hier erfahre.
‘Das lässt sich leicht denken!’ wiegelt Heinrich ungerührt ab. ‘Solange er nicht
gar Schlimmeres im Schilde führt, Aufruhr oder dergleichen, soll er sich nur
beschweren! Die Herren sollten mir zugestehen, dass ich meinem Sohn die
Flausen nur mit eiserner Strenge austreiben kann. Gleichwohl möchte ich
schon gern wissen, wie jene das dumme Gejammer aufnehmen!’
Stephan Schmidt hat es nicht umsonst vom Küchenschreiber zum Ersten
Sekretär gebracht. Mit dem Ziegler war leichtes Spiel, erklärt er grinsend. Er
habe ihm nur klar zu machen brauchen, dass einer schnell am Galgen baumelt,
der sich an seinem Herrscher vergeht. Der Bursche habe vor Angst geschlot-
tert, keine Ahnung, was da geschrieben würde, könne nicht einmal lesen. Also
habe er ihm geraten, dem Herzog Julius weiter zu Diensten zu sein, ohne Arg-
wohn zu erregen. Man sei ihm wohl gesonnen und würde für sein Fortkom-
men Sorge tragen, wenn er nur die Briefschaften zur kurzen Einsicht überlasse
– nicht seiner Durchlaucht selbst, nur ihm, Stephan Schmidt. Man habe Erfah-
rung in diesen Dingen, ohne das Siegel zu erbrechen und wolle sich nur über-
zeugen, dass keine üblen Streiche ausgeheckt würden, über die das Herzog-
tum zu Schaden kommen könne. Der Ziegler habe verstanden und geschwo-
ren, Seiner Gnaden dem Herzog Julius kein Sterbenswort davon zu verraten.
‘Potz Donner – da bin ich aber gespannt!’ lacht Heinrich dröhnend und schlägt
den gewitzten Sekretär anerkennend auf die Schulter. ‘Warten wir ab, was sich
tut! Ich möchte den Unfug erst gar nicht zu Gesicht bekommen, rege mich
sonst nur unnötig auf! Du alter Spitzbube wirst mir haargenau berichten!’
Auf die Nachricht der Königin Bona an ihren Sohn, dass die Gesandten des
Herzogs Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel in Warschau eingetroffen
sind, bittet König Sigismund August diese zu sich nach Wilna, der Hauptstadt
von Litauen. Er ist auch Großfürst dieses Landes. Zuvor wollte er noch die
Meinung der Senatoren einholen. Diese loben einmütig die Absicht des Herr-
schers, der mit ihren 33 Jahren ältesten seiner Schwestern den Vorzug zu geben
– Sophie.
Nun will es das Unglück, dass die Auserwählte gerade wieder einmal erkrankt
ist. Schon wollen die Vertreter des Bräutigams enttäuscht heimreisen. Bona
weckt jedoch die Hoffnung in ihnen, Sigismund August vielleicht doch
umstimmen zu können. Eine der jüngeren Prinzessinnen wäre ihnen ohnehin
willkommener gewesen. Doch ihre baldige Genesung bewahrt Sophie vor dem
Schicksal, bis an ihr Lebensende unvermählt zu bleiben. Alle Beteiligten willi-
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1555 bis 1558