Seite 92 - Herzog_Heinrich

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Unerfüllte Hoffnungen, Alter und Tod – 1558 bis 1568
Vom Fieber geschüttelt, hatten den Kranken – trotz from-
men Zuspruchs seines Beichtvaters – weniger Visionen
von der Auferstehung Christi beseelt als vielmehr um
seinen Sohn Karl Viktor kreisende Wahnvorstellungen.
In vornehmlich von Kriegsgetümmel erfüllten Träumen
war ihm auch immer wieder Philipp Magnus erschienen,
jung und wehrhaft, stets an seiner Seite, den Reiter-
scharen voran. Dann hatte sich über ihre Gestalten der Schatten des Todes
gesenkt, ihn gleichermaßen in seinen schwarzen Mantel zu hüllen gedroht.
In wachen Augenblicken suchte er Gedanken an diese wie jene wirren Hirnge-
spinste zu verdrängen. Er hatte dem Sensenmann ins Auge geschaut, ihn mit
Gottes Hilfe besiegt, wie zuvor seine irdischen Feinde – ein Zeichen des Him-
mels, dass die Sanduhr seines Lebens noch nicht abgelaufen ist. Das verleiht
ihm die notwendigen Kräfte, langsam zu genesen.
Weniger gnädig ist das Schicksal mit dem um elf Jahre jüngeren Karl V. Die
übermäßige Hitze des Sommers 1558 in der Estremadura setzt seinem Leben
am 21. September 1558 ein Ende. Heinrich nimmt die Nachricht mit dem
Gleichmut des dem Tod noch einmal entronnenen Greises auf. Weit mehr
beschäftigt ihn der Besuch seines Sohnes im August 1558 beim kaiserlichen
Kronprinzen Maximilian. Vom württembergischen Vetter finanziell unter-
stützt, ist Julius mit Hans von Küstrin nach Wien gereist. Dort haben sich wohl
zwei Gleichgesinnte gefunden, bemerkt Heinrich sarkastisch. Man enthält ihm
wohlweislich vor, dass für den Fall seines Ablebens Julius bereits an Adel und
Untertanen Instruktionen erteilen ließ, nachdem er in Wien über des Vaters
bedenklichen Zustand in Kenntnis gesetzt worden war.
Immerhin hatte Kaiser Ferdinand davon erfahren und am 16. Dezember aus
Prag in einem Brief an Hans von Küstrin und Julius beide eindringlich
ermahnt, an Herzog Heinrichs Alter und Lebensende zu denken.
Halbwegs auf den Beinen, greift er mit zitterigen Händen wieder nach den
Zügeln der Regierung. Die Bewahrung des alten Glaubens im Herzogtum
dient ihm als Instrument zur Demonstration seiner Macht. Dazu gehört das
zähe Festhalten an katholischen Riten. Julius hat es zu spüren bekommen.
Ist Herzog Heinrich der schweren Bürde des Regierens überhaupt noch gewach-
sen? Wer am Hofe daran Zweifel hegt, bringt den Mut für ein offenes Wort nicht
auf. Wozu auch? Seine Herrschaft ist von Gottes Gnaden, die ihm niemand auf
Erden streitig machen könnte – wenigstens nicht auf friedliche Weise.
Einige, wie die Herzogin Sophie und ihre stille Rivalin um die Gunst seines Her-
zens – Eva von Trott auf der Liebenburg – sorgen sich um ihn und seine schwin-