Diesem studierten, dabei alles andere als selbstlosen Hofbeamten war es nicht
schwer gefallen, sich durch liebedienerische Unterwürfigkeit der Gunst des für
Schmeicheleien mehr denn je empfänglichen alten Herrn zu vergewissern. Seit
1556 gab ihm sein Dienst als dessen persönlicher Sekretär reichlich Gelegenheit,
sich unentbehrlich zu machen. Beizeiten hatte er sich mit dem nicht minder
windigen Wolf Hase zusammengetan, der – ähnlich Stephan Schmidt – seit lan-
gem dem Herzog bei der Erledigung fragwürdiger Aufgaben zur Hand ging.
So war Hase schon vor vielen Jahren dem Gefolge des damals noch unbeküm-
mert im Ausland herumreisenden Prinzen Julius zugeteilt worden, dessen Ver-
schwendungssucht, wie auch sonst nicht immer löbliches Verhalten er dem
Vater hinterbrachte. Inzwischen Kanzlersekretär, hatte er in Halver einen Kom-
plizen gewonnen. Mit vereinten Kräften schürten die beiden unermüdlich
Heinrichs Groll gegen seinen Sohn, wobei sie ihr eigenes Süppchen kochten.
Dank Halvers Fürsprache hatte der Herzog die Position von Hase durch des-
sen Ernennung zum Sekretär des Hofgerichts aufgewertet; dieser sich seiner-
seits dem Kammersekretär erkenntlich gezeigt, indem er ihn für die Nachfolge
Mutzeltins als Vizekanzler ins Gespräch brachte. Für dieses erstrebenswerte
Amt hatte sich Halver bei Heinrich mit dem Anerbieten empfohlen, die weite-
re Verfolgung der mit dem polnischen Hof noch immer strittigen Erbansprü-
che voranzutreiben.
Die Spießgesellen wissen es einzurichten, dass der eine oder andere von ihnen
stets Zugang beim Herzog hat. Der unmittelbaren Lebensgefahr glücklich ent-
ronnen, will dieser keineswegs wahrhaben, dass er an zunehmender Gedächt-
nisschwäche, deutlicher Minderung seiner Urteilskraft und einem damit ein-
hergehenden Verlust geistiger Beweglichkeit leidet. Kraftlos und hinfällig, ist er
immer wieder bettlägerig, verbringt den größten Teil des Tages in seinen Gemä-
chern. Außer der Herzogin ist dort vor allem Wolf Hase allgegenwärtig. Er geht
dem Kranken mit Liebedienerei um den schütter gewordenen Bart, bestärkt ihn
in dem Irrglauben, nach wie vor die volle Übersicht zu besitzen. Heinrich fällt
auf die von Halver und Hase sorgfältig geschmiedeten Ränke prompt herein,
trifft Verfügungen, die ihm früher auch im Traum nicht eingefallen wären.
Den beiden Gaunern kommt zugute, dass der Kanzler ihr Intrigenspiel nicht
durchschaut oder leichtsinnig übersieht. Seine jetzige Stellung hält Joachim
Mynsinger nicht davon ab, Ansehen und Vermögen durch gutachterliche
Tätigkeit für fremde Rechnung zu mehren – wie er es zum neidvollen Ärgernis
seiner früheren Kollegen schon in Freiburg und Speyer gehalten hatte. In Wol-
fenbüttel legt er sich mit niemandem an, lässt jeden gewähren, der ihn von läs-
tigen Aufgaben entlastet oder ihm solche streitig zu machen droht. Er sorgt
dafür, dass einerseits der Herzog nichts auf ihn kommen lässt, andererseits
auch der Erbprinz keinerlei Anlass findet, sich nach dem Tod des alten Herrn
unbedingt von ihm zu trennen. Seine zweite Ehe mit Agnes von Oldershausen
stärkt seine gesellschaftliche Stellung und verhilft ihm zu dem nötigen Rück-
halt beim eingesessenen Adel. Der Ritter Mynsinger von Frundeck steht
scheinbar über den Querelen am Hof und in der Kanzlei, dem Tauziehen um
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Unerfüllte Hoffnungen, Alter und Tod