worden” sei, auch fehlen ihm die „richtigen Einsichten in die braunschweigischen
Zustände durchaus nicht; nur scheint er mit Unrecht seine Mittel nicht für ausreichend
zu halten, und sich nach baldiger Hilfe aus Frankfurt zu sehnen.” Auch habe der Herzog
erkennen lassen, dass er nicht mit allen Maßnahmen seines Ministeriums einverstanden
sei und bat den Gesandten dafür zu sorgen, „dass die beiden in Braunschweig
erscheinenden radicalen Zeitschriften
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‘Reichszeitung’ und ‘Blätter der Zeit’ in Preußen
verboten werden möchten.”
1.1 Bismarcks Kampf um die Vorherrschaft Preußens
Hatte in der ersten Hälfte des
19
. Jahrhunderts der österreichische Staatskanzler Fürst
Metternich eine beherrschende Stellung in Zentraleuropa einnehmen können, so
übernahm in der zweiten Hälfte zunehmend der preußische Ministerpräsident und
spätere Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck diese Rolle. Das schnellere Reagieren
auf die rasante wirtschaftliche und verkehrliche Entwicklung durch Preußen, eine
vorteilhafte Zollpolitik und damit einhergehend eine Modernisierung und Stärkung der
staatlichen Bürokratie und des Militärs brachten Preußen in eine führende Stellung, die
durch Bismarcks erfolgreiche, aber oft auch rücksichtslose Politik noch weiter ausgebaut
wurde. Der österreichische „Vielvölkerstaat”, einem Geleitzug vergleichbar, der auf das
langsamste Schiff Rücksicht nehmen muss, konnte ein vergleichbares Tempo nicht
vorlegen, zumal ihm auch keine öffentliche Verwaltung zur Verfügung stand, die
qualitativ mit der preußischen Bürokratie vergleichbar gewesen wäre.
Über Bismarcks Verdienste und sein rechtsstaatliches Verständnis lässt sich auch
heute noch trefflich streiten. Immerhin befriedigte er die Sehnsucht vieler Deutscher
nach einem „geeinten Vaterland”, allerdings ohne große Rücksichtnahme auf deren
Freiheitsbedürfnisse. Selbst viele Bewohner des Königreiches Hannover, das bekanntlich
im Jahre
1866
vom preußischen Ministerpräsidenten mit Billigung von König Wilhelm
vereinnahmt und zur preußischen Provinz degradiert worden war, zeigten sich sehr
nachsichtig gegenüber Bismarck, weil die deutsche Einheit ihnen viel bedeutete und die
Annexion Hannovers nach ihrem Verständnis ein erster, wesentlicher und unvermeid-
barer Schritt zur nationalen Stärke und Einheit gewesen sei. Der hannoversche, später
preußische Offizier, Generalleutnant Julius Hartmann
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hat unmittelbar nach der
Schlacht von Langensalza dazu geschrieben: „Den Wunsch, Deutschland zu einem
tatkräftigen Reiche werden zu sehen, trage ich in mir, seit ich politisch zu denken
vermochte, und er wurde von Jahr zu Jahr lebhafter, seit ich den Verfall des
hannoverschen Königtums vor Augen hatte. Der Sturz kam mir nicht unerwartet. Nun
lebe ich in der Überzeugung, dass Preußen durch seine in diesem Sommer vollzogenen
Gewalttaten die Nation einen großen Schritt vorwärts getrieben hat und jetzt die
Aussicht, ganz Deutschland durch ein mächtiges Band vereint zu sehen, viel näher
gerückt ist!”
Bereits
1848
war die Einheit eine der wesentlichsten Forderungen aller deutschen
Stämme und Staaten gewesen, die jedoch überwiegend am österreichischen Starrsinn,
dem Festhalten am Vielvölkerstaat, scheiterte. Der Frage, ob die Einheit auch ohne
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