Bundesangelegenheiten mit erweiterter Befugnis einem Direktorium zu übertragen, das
aus dem Kaiser von Österreich, den Königen von Preußen und Bayern und zwei anderen
alternierenden Fürsten bestehen sollte. Im Direktorium und in der Bundes-
versammlung, der Vertretung aller Regierungen, sollte Österreich den Vorsitz haben; alle
drei Jahre sollte eine aus
300
Mitgliedern der Landtage bestehende Bundesdelegierten –
Versammlung zur Beratung und zur Beschlussfassung über die ihr vorzulegenden
Gesetzvorlagen zusammentreten und deren Beschlüsse dann einem Fürstenrat zur freien
Verständigung unterbreitet werden. Auch die Einrichtung eines Bundesgerichtes war
Bestandteil der Reformvorschläge.
Die österreichischen Anträge wurden nach geheimer Beratung fast einstimmig
angenommen, allerdings mit Ausnahme Preußens, dessen Vertreter gar nicht erst
erschienen waren, obgleich der Kaiser persönlich in Gastein den preußischen König
Wilhelm I. eingeladen hatte. Bismarck, der im Herbst
1862
zum preußischen Minister-
präsidenten ernannt worden war, hatte große Vorbehalte gegen diese Fürstenversamm-
lung, sowohl wegen der Zusammensetzung als auch wegen einer Stärkung des Bundes-
tages in Frankfurt, der ohnehin seiner Meinung nach von Österreich dominiert würde;
außerdem war er der Ansicht, dass nur eine aus direkter Beteiligung der ganzen Nation
hervorgegangene Vertretung Lösungen finden könnte, die Preußens Interessen ange-
messen berücksichtigen würden, „da die Wünsche und Interessen des preußischen Volkes
mit denen des deutschen wesentlich identisch sind.
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” Bismarck begründet
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diese ableh-
nende Haltung und sein Verhalten gegenüber dem Fürstenkongress in seinen Erinne-
rungen: „Es wurde mir nicht leicht, den König zum Fernbleiben von Frankfurt zu bestim-
men. Wenn ich meinen Widerstand gegen das Streben des Königs nach Frankfurt aufge-
geben und ihn seinem Wunsche gemäß dorthin begleitet hätte, um in dem Fürstenkon-
gress die preußisch-österreichische Rivalität in eine gemeinsame Bekämpfung der Revolu-
tion und des Konstitutionalismus
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zu verwandeln, so wäre Preußen äußerlich geblieben,
was es vorher war, hätte freilich unter dem österreichischen Präsidium durch bundestäg-
liche Beschlüsse die Möglichkeit gehabt, seine Verfassung in analoger Weise revidieren zu
lassen, wie das mit der hannöverschen, der hessischen und der mecklenburgischen und in
Lippe, Hamburg, Luxemburg geschehn war, damit aber den nationalen Weg geschlossen.”
Bismarck erzählt, dass er auf einer Fahrt von Wildbad nach Baden-Baden den König
davon überzeugt habe, nicht zum Fürstentag zu gehen, weil es dort für Preußen nichts zu
gewinnen gäbe. Der preußische Ministerpräsident sah seine Strategie gefährdet, als bei der
Ankunft in Baden-Baden der sächsische König Johann als Gesandter des Fürstentages sie
erwartete, um König Wilhelm zu überreden, seinen Widerstand gegenüber der
Versammlung in Frankfurt aufzugeben. „Dreißig regierende Herren und ein König als
Kurier”, habe der preußische König mehrmals erstaunt festgestellt, ohne jedoch auf die
durch Johann von Sachsen erneuerte Einladung einzugehen. Bismarck war sehr erleichtert
wegen der standhaften Haltung seines hohen Herren, wusste er doch, dass Wilhelm den
sächsischen König, Schwager seines verstorbenen Bruders Friedrich Wilhelm IV., hoch
schätzte: „Erst um Mitternacht gelang es mir, die Unterschrift des Königs zu erhalten für
die Absage an den König von Sachsen. Als ich den Herren verließ, waren wir beide infolge
der nervösen Spannung der Situation krankhaft erschöpft, und meine sofortige mündliche
Mitteilung an den sächsischen Minister von Beust
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trug noch den Stempel dieser
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