Seite 29 - Karl_und_Wilhelm_3

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Erregung. Die Krisis war aber überwunden, und der König von Sachsen reiste ab, ohne
meinen Herren, wie ich es befürchtet hatte, nochmals aufzusuchen.”
Auch die preußische Kronprinzessin Victoria von Großbritannien, die spätere „Kaiserin
Friedrich”, berichtet
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über diesen Vorgang und bedauert, dass selbst ihre Mutter, die
Queen Victoria nicht in der Lage gewesen wäre, den Streit zu schlichten, obgleich sie sich
persönlich in dieser Angelegenheit sehr engagiert hätte: „Der Kaiser Franz Joseph lud die
Fürsten und die freien Städte Deutschlands zu einer Konferenz für den August nach
Frankfurt ein, auf welcher die Reorganisation des Deutschen Bundes besprochen werden
sollte. König Wilhelm war geneigt, diesen Vorschlag anzunehmen, aber Bismarck war
anderer Meinung und bestand auf völliger Gleichberechtigung mit Österreich in den
Bundesangelegenheiten. Eine weitere Aufforderung des Kaisers, welcher vorschlug, der
König solle den Kronprinzen zum Fürstenkongress schicken, wurde ebenfalls abgelehnt.
Trotzdem fand der Kongress statt; er fiel gerade in die Zeit des Aufenthaltes der Königin
[Queen] Victoria in Coburg. Infolgedessen wurde in dieser Stadt eine Art von Familienrat
abgehalten, dem die Königin von England präsidierte; der Kronprinz und die Kron-
prinzessin befanden sich unter seinen hervorragendsten Mitgliedern.
Der Kongress verlief infolge der Abwesenheit des König Wilhelms resultatlos, und
auch die gutgemeinten Bemühungen der Königin Victoria, welche sowohl mit dem König
Wilhelm als auch mit dem Kaiser Franz Joseph zusammentraf, konnten sie nicht zu einem
Einverständnis bringen. Erst vor einem Jahr hatte Bismarck den furchtbaren Satz, dass die
deutsche Frage nur durch ‘Blut und Eisen’ gelöst werden könne, ausgesprochen; nun sollte
die Gelegenheit nicht lange auf sich warten lassen, die grimmige Politik dieses Wortes auf
die Probe zu stellen. In weniger als einem Jahr brach der Krieg gegen Dänemark wegen
der Herzogtümer Schleswig und Holstein aus und nach weiteren vier [drei!] Jahren
entbrannte der Kampf mit Österreich um die Führerschaft in Deutschland.”
Der Frankfurter Fürstentag, so hoffnungsvoll er auch begonnen hatte, endete
enttäuschend und ohne Ergebnis, weil die in Frankfurt verbliebenen Fürsten, wie
Bismarck überliefert
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hat, die „Zumutung” ablehnten, die österreichische Vorlage auch
ohne Preußens Zustimmung anzunehmen, und danach zu verfahren. „Die Mittelstaaten
wollten aber in Frankfurt”, so schrieb der preußische Ministerpräsident, „weder eine
einseitig preußische noch eine einseitig österreichische Leitung, sondern für sich ein
möglichst einflussreiches Schiedsamt im Sinne der Trias, welches jede der beiden
Großmächte auf das Bewerben um die Stimmen der Mittelstaaten anwies.” Die Fürsten
gingen schließlich auseinander mit dem „Hinweis auf die Notwendigkeit neuer
Verhandlungen mit Preußen” und der Absichtserklärung, derartige Gespräche zu suchen
und zu führen. Ihr Abstimmungsverhalten auf dem Kongress stellten sie unter den
Vorbehalt der nachträglichen Zustimmung Preußens.
Bismarck, der aus den fruchtlosen Debatten über eine großdeutsche Lösung in den
Jahren
1848
und
1849
seine Lehren gezogen hatte, wollte schon immer als ersten Schritt
eine Einigung der deutschen Nation unter preußischer Führung – ohne Österreich –
erreichen, eine sogenannte kleindeutsche Lösung; alles Weitere könne man dann in
Ruhe abwarten. Er war fest entschlossen – und sei es mit Hilfe einer „Revolution von
oben” -, diese Strategie zu verfolgen, und dieses Ziel zu erreichen. Für Bismarck gab es
keinen Zweifel
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, dass „der Schlüssel zur deutschen Politik bei den Fürsten und
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