Seite 46 - Karl_und_Wilhelm_3

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„Goethes diesmaliger Rückkunft” aus Marienbad in Weimar das Gerücht verbreitet
wurde, „er habe dort die Bekanntschaft einer an Körper und Geist gleich liebens-
würdigen Dame gemacht und zu ihr eine leidenschaftliche Neigung gefaßt. [...]. Er habe
keine Stunde versäumt, bei ihr zu sein, er habe glückliche Tage gelebt;”
Goethe selbst hat diese späte Liebe und Leidenschaft zu Ulrike von Levetzow zwar
als sehr beglückend empfunden: „Mit Flammenschrift ins treue Herz geschrieben”, war
jedoch gleichzeitig niedergeschlagen und besorgt, wenn er angesichts des
Altersunterschiedes von
55
Jahren an die künftige Entwicklung dieser Beziehung dachte.
Noch war Herzog Wilhelm viele Jahre von dieser altersbestimmten Nieder-
geschlagenheit des deutschen Dichterfürsten entfernt; jedoch näherte er sich unaufhalt-
sam diesem Problem. War er noch bei seinen stürmischen und unvergessenen Erleb-
nissen mit der Tänzerin Katharina Kirchner – später Frau Grantzow und Großmutter
des Philosophen Oswald Spengler aus Blankenburg – und mit der Sängerin Luise
Methfessel in den Jahren
1835
bis
1839
nur wenige Jahre älter als seine Partnerinnen, so
war der Herzog
1851
, als die intensiven Beziehungen mit der Schauspielerin Clara
Heymann begannen, immerhin doppelt so alt wie seine Mätresse Clara.
4.1 Clara Heymann und Marie Franke
Wie vom Regen in die Traufe, war Herzog Wilhelm von der exaltierten französischen
Solotänzerin Héloise Guérinot an die Schauspielerin Clara Heymann geraten. Die
französische Balletteuse hatte dem Herzog im Zeitraum von
1848
bis
1853
, teilweise aus
Paris, insgesamt
118
Briefe geschrieben; dagegen nehmen sich Claras
31
Briefe, die sie an
Wilhelm in den Jahren
1851
bis
1856
gerichtet hat und die voller Leidenschaft, Liebe und
Lügen waren, eher bescheiden aus. Wilhelm war vom Inhalt der Briefe der
Schauspielerin offensichtlich so „hingerissen” und beeindruckt, dass er einige in sein
Tagebuch übertragen und verewigt hat (Anhang
7.2
). Immerhin wollte Clara ihm unter-
stellen, er sei der Vater ihres am
4
. Januar
1854
geborenen Sohnes. Nach den Tagebuch-
notizen des Herzogs war eine Vaterschaft zwar nicht auszuschließen, sogar wahrschein-
lich, aber Zuträger hatten dem Herzog hinterbracht, dass Clara gleichzeitig enge
Beziehungen zu dem schwedischen Studenten Wedekind unterhalten habe, der
wiederholt in ihrer Wohnung gewesen sei.
Der Herzog war über das Verhalten seiner Mätresse enttäuscht und verärgert, zumal
Clara in den letzten Wochen wiederholt verabredete Termine nicht eingehalten hatte, wie
man aus der Tagebuchnotiz des Herzogs vom
7.
und
8.
April
1853
entnehmen kann: „Von
8
9
Uhr gewartet, H
512
unwohl, könne nicht kommen, aber Morgen (erwidert: morgen
nicht, aber Sonnabend), S[teiner] kam um
9
Uhr zu L[übeck], um zu bestellen, das H
nicht kommen könne, habe Diarrhö; S sagte ferner, sie habe sich mit H gezankt. Sie habe
einen Herrn Wedekind, einen Schweden, bei ihr gefunden, junger Student, welcher Ihr
Liebesanträge gemacht. Ihre kleine Nichte sei dabei gewesen. H habe gemeint, sie thue
nichts unrechtes, er liebe Sie und wolle Sie heirathen. S habe ihr geantwortet, wenn Sie
solche Besuche bemerke, werde Sie es L sagen. E[go] sei übrigens unwohl, habe
Rheumatismus, liege auf dem Sopha.”
8
. April: „L beauftragt S zu sagen, sie möge H
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