Seite 49 - Karl_und_Wilhelm_3

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könnte, sonst nicht.” Lübeck, der auf Veranlassung des Herzogs Clara in ihrem
„Dresdener Exil” besucht hatte, teilte Wilhelm am
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. Februar mit, er habe ihr
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Louis-
dor gegeben und eine Nadel für
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L abgekauft.
Im März
1854
, zehn Wochen nach der Geburt ihres Sohnes, war Clara wieder nach
Braunschweig zurückgekehrt, Wilhelm notierte am
17
. März, dass es im Theater die
„Weiße Dame” gegeben hätte, er habe die H gesehen, sei aber nach dem ersten Akt nach
Hause gegangen. Am
18
. März war der Herzog wiederum im Theater; er schrieb in
englischer Sprache über diesen Abend: „H in the play; at ten, when I was going to bed, L
came and told me, the Jaeger [?] had said, a girl wishes to speak with him. I told L to go
and look; he came back and told me, it was H. I told him, if she asked for me, to let her
come in. She came and stayed from
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/
2
1
.”
Der Herzog hat diesen fast dreistündigen Besuch nicht näher kommentiert; man wird
daher davon ausgehen können, dass keine Zärtlichkeiten ausgetauscht worden sind und
beide Seiten bemüht waren, Schadensbegrenzung zu betreiben: Wilhelm wollte Dis-
kretion und keinen Skandal, Clara war am künftigen Wohlwollen und an weiteren
Zahlungen des Herzogs interessiert. So konnte man Klatschgeschichten über die Braun-
schweiger Gesellschaft austauschen, „small talk” machen, wie man heute zu sagen pflegt.
Wilhelm war hierzu immer gern bereit, da seine Gespielinnen, so glaubte er zumindest,
ihm den Zugang zur Stimmung seiner Untertanen öffneten.
Da Wilhelm vom April
1854
bis zum Dezember
1864
kein Tagebuch geschrieben hat
und weitere zuverlässige Quellen nicht erhalten geblieben sind, wissen wir nicht, wie
Claras weiteres Leben verlaufen ist. Da sie jedoch mit Wilhelm bis zum Jahre
1856
im
Briefwechsel stand, wird man davon ausgehen können, dass er sie – wie ihre
Vorgängerinnen und Nachfolgerinnen – ausreichend versorgt hat.
Einen ähnlichen Verlauf scheint des Herzogs Verbindung mit der Solotänzerin Marie
Franke genommen zu haben, die von
1857
bis
1864
im Ballett am herzoglichen
Residenztheater engagiert gewesen ist und Ritterbrunnen
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wohnte. Der Sprachlehrer
Dr. Wilhelm du Roi, Bruder des Notars Adolph du Roi, hat in mehreren Briefen
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aus
dem Jahre
1858
an seinen Freund Wilhelm Bitter nicht nur über die allgemeine
Stimmung in Braunschweig, sondern auch über Herzog Wilhelm und seine Mätresse
Marie Franke ausführlich und kenntnisreich berichtet. Am
8
. Januar schreibt du Roi über
den geplanten Theaterneubau und über Festlichkeiten für Marie: „Über den Theaterbau
werden erst die Stände Mitte Februar reden; mehrere Plätze sind im Vorschlag, als:
Bevernsches Schloss – Veltheimsche Haus Burgplatz – vis à vis dem Schlosse, und auf
besonders engere Wahl der Park, in dem Bohrversuche gemacht sind, um das Terrain zu
recognisciren [erkunden]. Sobald etwas Gewisses bestimmt ist, werde ich Dir Nachricht
geben. An Neuigkeiten ist zu benennen, dass der Herzog dem Theater-Personal, incl Frl.
Franke als Hauptperson, Sylvester ein solennes [feierliches] Souper und Ball gab, wozu
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Offiziere gewissermaßen commandirt sind, welches in Hannover gar Ärgernis
gegeben haben soll.” In einem weiteren Brief vom
9
. März an seinen „Theuren Freund”
Wilhelm Bitter in England schreibt du Roi: „Zuerst Einiges im Allgemeinen über den
hiesigen Machthaber, dann zu einigen Specialitäten. Der Herzog führt jetzt, wie man
hört, ein höchst eintöniges Leben. Jeden Morgen kommt Frl. Franke zu ihm, u.
frühstückt resp. dinirt mit ihm, was bei den Herren Flügeladjutanten, die in anderen
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