Seite 56 - Karl_und_Wilhelm_3

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zu machen, wo die Wirklichkeit oder die bestehenden Verhältnisse an sich keine bieten.
Da wird erst ganz bescheiden und unschuldig die Möglichkeit angedeutet, dass eine
Frage in Zukunft entstehen könnte, wenn dieser oder jener Fall eintrete, und ein Fühler
in der Presse ausgestreckt nach der Aufnahme, welche die Sache im großen Publicum
wohl finden möchte. Glaubt man hiernach auf Anklang rechnen zu können, so geht
man einen Schritt weiter; die Frage wird als eine vorhandene, als eine ‘nothwendig zu
lösende’, als eine ‘brennende’ hingestellt, und mit wachsendem Eifer und berechnetem
Eclat in Zeitungen und Broschüren verhandelt. Ein neuestes Beispiel einer solchen im
politischen Treibhaus künstlich erzeugten und großgezogenen Frage ist die sogenannte
braunschweigische, welche an das eventuelle Erlöschen der dasigen Dynastie geknüpft
worden ist. Bis auf die jüngste Zeit ist es niemand auch nur im Traume eingefallen, das
dann eintretende Successionsrecht der Krone Hannover in Zweifel zu stellen. Jedes
Schulkind weiß, dass die braunschweigische und die hannoversche Linie die beiden
Zweige des alten Welfenstammes sind, dass auch die braunschweigischen Lande zu den
alten Erblanden des welfischen Hauses in Norddeutschland gehören, und dass bei allen
früher vorgekommenen Abzweigungen und Theilungen unter den Nachkommen
Heinrich des Löwen nach altem Familienrecht, welches bei der Verwandlung des
allodialen Besitzes des Hauses in ein Reichslehen lediglich bestätigt wurde, der Vorzug
des Mannesstammes dergestalt gegolten hat, dass im Falle des Aussterbens der einen
Linie, mit Ausschluss aller Cognaten
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, der Mannesstamm der anderen, oder, waren es
mehrerer gleich nahe Linien, diese fast ausnahmslos gemeinsam zur Succession gelangt
sind, ohne dass sich im welfischen Haus in einem fast
700
-jährigen Zeitraum auch nur
ein einziges Beispiel einer weiblichen oder cognatischen Erbfolge nachweisen ließe.”
Dem Staatsrat Zachariä ist beizustimmen, wenn er die Überbewertung und
Unergiebigkeit juristischer Diskussionen beklagt und meint, dass wir von unseren
westlichen Nachbarn die Unart übernommen hätten, „Fragen zu stellen, wo die
Wirklichkeit oder die bestehenden Verhältnisse an sich keine bieten.” Immerhin hatte
aber Anfang des Jahres
1861
eine in Berlin anonym erschienene Broschüre
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für große
Aufregung in Berlin, Hannover und Braunschweig gesorgt. Diese Schrift ging davon
aus, dass man das Herzogtum als Neuschöpfung des Wiener Kongresses anzusehen
habe, und dass daher das agnatische Erbrecht älterer Zeit erloschen sei. Bei Erlöschen
der regierenden Linie werde das Land herrenloses Gut und das Volk könne sich
vermöge seiner erlangten Souveränität dann dem Staat seiner Wahl anschließen, und
dass sei aller Wahrscheinlichkeit nach Preußen
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. Gustav Prinz zu Ysenburg und
Büdingen, preußischer Gesandter in Hannover und Braunschweig von
1859
bis
1883
,
berichtete von einer aufgeregten Diskussion in den welfischen Hauptstädten nach
Berlin, wo man die in der Berliner Broschüre vertretene Rechtsauffassung mit Interesse
zur Kenntnis genommen hatte; da sie jedoch nach Bismarcks Meinung „zur Unzeit”
kam, wurde auf weitere Erörterungen kein Wert gelegt.
Ebenfalls im Jahre
1861
erschien
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in Braunschweig eine weitere anonyme Broschüre,
vermutlich vom Obergerichtsadvokaten Dr. Robert Degener, Rosenhagen
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, der die
Sukzessionsfrage aufgrund der „grundgesetzlichen Normen des Herzogthums”
untersucht hatte. Er vertritt die Ansicht, dass
90
% der Braunschweiger für einen
Anschluss an Preußen seien und dass Hannover wegen der körperlichen Gebrechen des
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