Seite 58 - Karl_und_Wilhelm_3

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Preußens auf Gebietsteile des braunschweigischen Herzogtums, insbesondere auf das
Fürstentum Blankenburg bestehen, sei nicht ernst zu nehmen. Zachariä fasst
zusammen: „Das Ganze läuft nach unserem Urtheil auf eine Misshandlung der
Geschichte und auf eine unerhörte Rechtsverdrehung hinaus.”
Die Regierungen in Hannover und Braunschweig waren durch die zahlreichen
Veröffentlichungen und die unterschiedlichen Rechtsauffassungen in gewisser Weise
doch beeindruckt und beunruhigt. König Georg beauftragte daher im Juli
1861
den
Staatsrat und hannoverschen Ministerresidenten in Hamburg, Gustav Zimmermann,
mit der Ausarbeitung eines Gutachtens über den Heimfall Braunschweigs an das
königliche Haus. Zimmermann, der nach Aussage des preußischen Gesandten über
diesen Auftrag nicht glücklich gewesen sei, kommt zu dem erwarteten und erwünschten
Ergebnis: Man könne das Erbrecht der hannoverschen Linie nicht ernsthaft bestreiten.
König Georgs Begeisterung hielt sich trotzdem in Grenzen; er hätte sich in sprachlicher
Hinsicht eine „schärfere Gangart” gewünscht.
Als dem König zu Ohren kam, dass in der braunschweigischen Ständeversammlung
geäußert worden ist, die Vereinigung mit Hannover sei ohnehin ein Unglück,
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man
möge das Land vor den Hannoverschen Verfassungsgesetzen bewahren und das
Herzogtum lediglich in Personalunion mit Hannover verbinden, sah er den Zeitpunkt
für gekommen, nun mit Herzog Wilhelm das direkte Gespräch zu suchen, zumal auch
der österreichische Gesandte Graf von Ingelheim ihn in dieser Richtung bestärkt hatte.
Die fürstlichen Höfe in Braunschweig und Hannover verabredeten daher
1862
, in
geheime Verhandlungen über einen erneuerten Erbfolgevertrag einzutreten, von denen
jedoch über Pressemeldungen Otto von Bismarck zeitnah unterrichtet worden war. Er gab
daraufhin dem preußischen Gesandten den Auftrag, auf diese Vorgänge, sein besonderes
Augenmerk zu richten. Ysenburg hatte vom Staatsrat Zimmermann erfahren, dass ältere
Hausgesetze, Verfassungsfragen und die Bildung einer Personalunion zwischen Hannover
und Braunschweig besondere Themen in den Verhandlungen sein werden und dass die
„am
20
. August erfolgte Verabschiedung des Ministers Borries [für die] weiteren
aussichtsreichen Verhandlungen günstig sei: Borries habe sich bisher dem Gedanken einer
bloßen Personalunion zwischen Hannover und Braunschweig hartnäckig widersetzt,
während der ständische Ausschuss in Braunschweig in zunehmenden Maße auf eine
Garantie des ungeschmälerten Fortbestandes des Herzogthums und seiner verfassungs-
rechtlichen Unabhängigkeit sich versteift und sogar gefordert habe, dass, falls das
Herzogthum noch zu Georgs V. Lebzeiten der königlichen Linie anfalle, die Regierung
dem Kronprinzen Ernst August alsbald übertragen werde
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.” Der hannoversche König
war über diese Zumutungen und Einmischungen der braunschweigischen Stände „zutiefst
indigniert”, hatte sogar überlegt, die Verhandlungen abzubrechen. Angesichts der
zahlreichen Presseveröffentlichungen gegen seine Erbansprüche beschloss er, die Reden
der braunschweigischen Abgeordneten zu ignorieren, jedoch in der Frage der
Personalunion nachzugeben, und bei Eintritt des Heimfalls seinen Sohn Ernst August die
Würde eines Landesverwesers
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in Braunschweig zu übertragen.
Als Herzog Wilhelm im November
1862
den König in Herrenhausen besuchte,
einigte man sich auf die vorstehend erläuterten Punkte, die man in entsprechenden
Schriftstücken (siehe: Anhang
7.7
) festlegte und beschloss
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einvernehmlich, „dass kein
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