Seite 60 - Karl_und_Wilhelm_3

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hergestellt, so dass „eine Verdrehung oder Missachtung des Rechts” im Sinne eines
zwangsweisen Anschlusses Braunschweigs an Preußen, nicht mehr zu befürchten war.
Preußen gab daher auch am
18
. August
1867
eine Bestandsgarantie für das Herzogtum
Braunschweig-Wolfenbüttel ab und Bismarck beruhigte
620
am
11
. Dezember
1867
die
aufgeregten Gemüter mit dem Hinweis, dass alle Staaten des Norddeutschen Bundes
„sich gegenseitig die Souveränität garantiert hätten.”
Weiterhin basierte die preußische Beschlusslage auf dem Protokoll
621
der Conseil-
Sitzung vom
15
. August
1866
. König Wilhelm von Preußen, wollte vermeiden, dass sein
Verhalten gegenüber dem Königreich Hannover, dem Kurfürstentum Hessen, dem
Herzogtum Nassau und der Freien Stadt Frankfurt mit den Gewaltakten des
französischen Kaisers Napoleon I. gleichgesetzt würde. Der preußische König hatte daher
erkennen lassen, dass er dem Welfenhaus entgegenkommen wolle, indem er verlautbaren
ließ: „Dem Kronprinzen von Hannover, vorausgesetzt, dass der König von Hannover
abdiciere, nicht nur die Anwartschaft auf die Sukzession in Braunschweig, sondern auch
außerdem einen, dem Herzogtum Braunschweig an Größe ungefähr gleichen Teil des
Königreichs Hannover mit den Städten Hannover und Celle zu belassen.” Wilhelm I.
meinte, mit diesem Entgegenkommen den, von befreundeten Fürsten aber auch von
seiner eigenen Familie ,an ihn herangetragenen Bitten nachkommen zu können, und
hoffte damit gleichzeitig die „Entbindung der bisherigen hannoverschen Offiziere und
Zivilbeamten von dem ihrem Landesherren geleisteten Eide zu erreichen.”
Bismarck war hingegen der Ansicht, dass man Napoleons Gewaltakte mit der
Einverleibung Hannovers in die preußische Monarchie nicht vergleichen könne, und
man müsse nur die „geographische Drohung”, die in der Teilung Preußens in einen Ost-
und Westteil begründet sei, unvoreingenommen betrachten. „Nur durch ehrliches
Zusammenhalten derselben mit Preußen” wäre nach fester Überzeugung Bismarcks
dieser geopolitische Nachteil erträglich gewesen. Die beteiligten Regierungen hätten bei
einer ausländischen Bedrohung selbstverständlich Preußens Schutz erwartet, bei
innerdeutschen Auseinandersetzungen und Angriffen auf Preußen jedoch hätten sie sich
eigenständige Entscheidungen vorbehalten. Preußen müsse, so urteilte
622
der
Ministerpräsident, „aus Fürsorge für den eigenen Herd diesen Stachel aus dem Nacken
der Monarchie durch Verschmelzung jener Länder mit derselben” entfernen.
Die übrigen preußischen Staatsminister schlossen sich Bismarcks Ansicht an und
waren auch damit einverstanden, dass dem Kronprinzen Ernst August von Hannover
unter gewissen Bedingungen die Sukzession in Braunschweig in Aussicht gestellt
würde. Hier machte sich vorerst noch der mäßigende Einfluss des früheren Prinzen
Wilhelm bemerkbar, der ab
1858
als Prinzregent und sei
1861
als preußischer König
seinem kranken Bruder Friedrich Wilhelm IV. gefolgt war. König Wilhelm I. wusste
natürlich, dass auch sein Sohn, Kronprinz Friedrich, und dessen Ehefrau Viktoria von
Großbritannien eine derartige Mäßigung wünschten. Allerdings fanden derartige
Rücksichten schnell ihre Grenzen infolge Bismarcks Einfluss auf den König und im
vorliegendem Falle auch wegen eigener Probleme, herbeigeführt durch den preußischen
Verfassungskonflikt, in dem am
1
. Juni
1863
die verfassungsmäßig garantierte Presse-
freiheit durch Bismarck, gegen den Willen des Kronprinzen, erheblich eingeschränkt
wurde. Und auch eine Rede, die der Kronprinz am
5
. Juni
1863
in Danzig gehalten hatte,
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