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Der unauflösliche Grundwiderspruch des Christentums, „in dieser Welt nicht von die-
ser Welt zu sein“, zieht sich auch durch die Braunschweigische Kirchengeschichte
wie ein roter Faden. Aus dem historischen Rückblick tritt so einerseits die fortgesetz-
te Suche der Kirche nach ihrem Standort, ihren Aufgaben und den geeigneten Maß-
nahmen zur dauerhaften Sicherung ihrer landeskirchlichen und kirchengemeindli-
chen Existenz in einer sich immer weiter säkularisierenden, in sozialer, wirtschaftlicher
und kultureller Hinsicht rasant verändernden Gesellschaft hervor, deutlich wird aber
auch ihre unbeirrbare Kontinuität. Seit über 1200 Jahren nimmt sie im Braunschwei-
ger Land ihren originären Auftrag, die Verkündigung des Evangeliums, die Seelsorge
an den Menschen und die Diakonie wahr, seit mehr als 1200 Jahren prägt das Chris-
tentum das Braunschweiger Land und die Identität seiner Ortschaften. Die Taufe der
Sachsen im 8. Jahrhundert markiert den Beginn der Braunschweigischen Kirchenge-
schichte. Die mit der Reformation entstandene evangelisch-lutherische Landeskirche
ist heute eine von fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen. Kirchen, Kapellen
und Klöster sind aller Orten sichtbare Zeugen ihrer Jahrhunderte währenden Exis-
tenz; in Gottesdiensten, Amtshandlungen, Kirchenmusik- und Gemeindeveranstaltun-
gen und nicht zuletzt in der Rückbesinnung auf ihre Geschichte bleibt sie erfahrbar.
Die vorgelegte kirchengeschichtliche Darstellung gliedert sich in zwei Hauptteile. In
den sechs Kapiteln der ersten Teils zeichnen die Autorinnen und Autoren auf Grund
der neuesten Forschung die Entwicklung der braunschweigischen Kirche mit all
ihren Höhen, Tiefen, Brüchen und Kontinuitäten vom Mittelalter bis in die Gegenwart
nach. Deutlich wird die Beharrungskraft des unter Rückschlägen gewonnenen evan-
gelischen Bekenntnisses im Herzogtum und späteren Freistaat Braunschweig. In Stadt
und Land behauptete sich das Luthertum in seinen orthodoxen, wie auch seinen ge-
mäßigteren Ausprägungen gegen Rekatholisierungsansätze, verschloss sich – unter-
stützt durch maßvolle landesherrliche Unterdrückungsmaßnahmen - radikalfrommen
Positionen und verkraftete den Übertritt des Herzogs Anton Ulrich zum Katholizismus
im Jahr 1710. Gefährlicher wurde ihm nach der Auffassung von Johannes Beste die
nicht erst durch die Aufklärung hervorgetretene „verstandesnüchterne Auffassung
des Christentums“. Weder lässt sich die Glaubensgeschichte des Braunschweiger
Raums jedoch auf eine solche Formel reduzieren, noch liegt hierin die alleinige Ursa-
che für die zunehmende Unkirchlichkeit der Einwohnerschaft. Hier gilt es zu differen-
zieren, um nicht frühere Deutungsmuster unreflektiert zu übernehmen. So widmen
sich die Beiträge stets der oft ambitionierten, gelegentlich erstaunlich toleranten Kir-
chenpolitik der Landesherren ebenso wie den verschiedenen Frömmigkeitsformen
und den konkurrierenden theologischen Positionen und Gruppierungen.
Im zweiten Teil werden in fünf thematischen Abschnitten kirchliche Tätigkeitsfelder
und Strukturen unter sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen, darunter
auch die kirchliche Wirtschaftsgeschichte, in den Blick genommen. Weitere Beiträge