Seite 51 - Kirchenbuch

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Di e Braunschwe i g i sche Landesk i rche zur Ze i t der Au f k l ä r ung
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den Geheimen Rat: „Ew. Durchl. geben wir zu Ende bemeldete drey Knechte im Phi­
lipps-Berge hierdurch demühtigst zu vernehmen, was gestalt leyder bisher die Ge-
wohnheit gewesen, man die Cörper unserer Verstorbenen Antecessoren in officio
nicht auf den Kirchoff, sondern an einem Ab-Orth, bey die Maleficanten, und andern,
so sich selbst entleibet, hingescharret“. Dies Schicksal teilten die Beschäftigten beim
Wolfenbütteler Gefängnis mit noch einer ganzen Reihe anderer Berufe, wobei das
Eselsbegräbnis noch einige weitere Jahrzehnte zum Beispiel den Abdeckern bereitet
wurde. Den Knechten wurde geholfen: „[...] Es ist demnahero Unser gnädigster Wille,
daß sie wie andere ehrliche Leute begraben, und wenn sie die Grab-Stelle nicht be-
zahlen können, in das ordentliche freye Begräbniß geleget werden sollen.“
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Auch im
kirchlichen Bereich gab es zahlreiche Gebräuche, welche auf Unterscheidung hin an-
gelegt waren. Es gab aber auch noch eine ganze Reihe anderer Bräuche im kirchli-
chen Umfeld, die im Verlauf des 18. Jahrhundert ‚abgeschafft’, also untersagt wurden
oder doch aus dem Gebrauch kamen. Als Beispiel sei angeführt, dass 1750 untersagt
wurde, den Vollzug der Todesstrafe mit Singen und Läuten der Glocken zu begleiten.
Anlass waren Vorkommnisse im Amt Königslutter, dabei hatte der Geheime Rat schon
1720 festgestellt, dass solches Tun in den hiesigen Landen nicht gebräuchlich und
solch Agieren auch ganz unnötig sei.
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Es ist, das sei an dieser Stelle kurz eingescho-
ben, für den Zeitraum bis ungefähr 1850 überaus fahrlässig, aus dem Vorhandensein
einer obrigkeitlichen Anordnung auf deren Umsetzung zu schließen. Der Realität nä-
her kommt man dann schon, wenn sich über die fragliche Sache Akten erhalten ha-
ben, doch zur vollen Gewissheit gelangt man auch so recht selten.
WER SPRACH FÜR KIRCHE?
Für die Zeit des Absolutismus scheint die Antwort auf solch eine Frage ganz leicht:
Der Landesherr, wer denn sonst. Aus juristischer Sicht war er dazu befugt, aber weder
von Carl I. (1713-1780) noch von Carl-Wilhelm-Ferdinand (1735-1806) ist bekannt, dass
sie irgendwelche offiziellen Aussagen im Namen der Kirche gemacht haben. Solch
ein Vorgehen hätte auch ihrem Verständnis vom Herrscheramt widersprochen, als
Landesherr von Gottes Gnaden, nicht als ‚Bischof’, sorgten sie sich um das Seelenheil
ihrer Untertanen. Sie wirkten auf ihre Untertanen nicht durch Aufrufe, Mahnworte
oder durch Predigten ein, sie nahmen Zuflucht zu Verordnungen, Reskripten, Avertis-
sements, also zu den üblichen Instrumenten, mit denen sie ihre Herrschaft generell
ausübten. Auch wenn manchmal die Präambeln von Verordnungen usw., also die
Rechtfertigungen für das Angeordnete, sich von einer guten Predigt kaum unterschie-
den. Mit dieser Haltung entsprachen die Herzöge einer im protestantischen Bereich
weit verbreiteten Auffassung, dass dem Herrscher in Glaubensfragen keinerlei Kom-
petenz zustünde. Eingriffe in kirchliche Belange stünden ihm nur im Rahmen seiner
Sorge um die Aufrechterhaltung des Friedens zu. Das Recht des Landesherren in