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Hans-Jürgen Enge l k i ng
und der Demokratie leichter
als das tendenziell obrigkeits-
hörige Luthertum.
Elemente der lutherischen
„Zwei-Reiche-Lehre“ und der
reformierten „Lehre der Kö-
nigsherrschaft Christi“ fanden
Eingang in die 1934 gegen den
nationalsozialistischen Totali-
tarismus formulierte Barmer
Theologische Erklärung. In Ar-
tikel 2, Absatz 2 verpflichtete
sich die braunschweigische
Landeskirche relativ spät, näm-
lich 1995, die Gemeinschaft
von Barmen zu wahren und zu
fördern.
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Die in Barmen ausge-
sprochenen Verwerfungen gel-
ten seitdem, wenn auch unter
dem Vorbehalt ihrer lutheri-
schen Auslegung, als Maßstab
für ihr Handeln.
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Sie erteilen
dem Totalitarismus eine Absa-
ge und gestehen dem Staat in
Abwehr des Obrigkeitsstaates und seiner „Ideologisierung als
Schöpfungsordnung“ nur noch den göttlichen Auftrag für Frie-
den, Recht und Wohlfahrt zu. Und sie bestreiten ein „Eigenleben
des Staates“, indem sie alle Lebensbereiche dem Herrschaftsan-
spruch Jesu Christi unterstellen und deshalb einer „politischen“
Kirche ein „Wächteramt“ gegenüber Staat und Gesellschaft über-
tragen. Das reformatorisch definierte Verhältnis von geistlicher
und weltlicher Macht bietet damit ein tragfähiges Fundament für
die moderne Trennung von Kirche und weltanschaulich neutra-
lem Staat.
Für die lutherischen Kirchen kam es zu einer historisch folgen-
schweren Entscheidung, als sie entgegen ursprünglicher Intentio-
nen Luthers den Fürsten die Durchführung der Reformation über-
ließen und ihnen das Notbischofsamt übertrugen. Auch die 1568
vollzogene Reformation des Fürstentums Wolfenbüttel durch Her-
Abb. 1:
Martin Luther
(1483-1546),
Holzschnitt,
Fotonachweis:
Landeskirchliches
Archiv Wolfenbüttel