Seite 74 - Kirchenbuch

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I nge Mager
Stadtfreiheit adelige Frauen aus dem Umkreis des Wolfenbütteler
Hofes bevorzugt Aufnahme fanden. In das seit 1542 leer stehende
und in die Obhut des Stadtrates gelangte Ägidienkloster zog 1605
ein Beginenkonvent ein, der gleichfalls die Gestalt eines bürgerli-
chen evangelischen Damenstifts annahm. Stundengebete und
Mädchenunterricht gehörten noch lange zu seinen Aufgaben.
Nach 1671 gerieten beide Klöster in den Geltungsbereich der fürst-
lichen Klosterpolitik. Ihre Konvente erloschen erst während des
Zweiten Weltkrieges.
Die Reformatoren des Fürstentums, Martin Chemnitz und Jakob
Andreae, haben ihre theologischen Vorbehalte gegenüber den
mönchischen Gelübden Armut, Keuschheit, Gehorsam 1569 so-
wohl in der Kirchenordnung als vor allem in der Klosterordnung
unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig beteu-
erten sie im Namen des Reformationsfürsten Julius, dass den
Klöstern nichts Neues aufgezwungen werden dürfe, viel weniger
ihre Abschaffung geplant sei, sondern nur alles dem Wort Gottes
Widersprechende in den Gottesdiensten wie im gesamten Klos-
terleben beseitigt und im übrigen die Klöster zu ihren ursprüng­
lichen Erziehungs- und Bildungsaufgaben als „schulen und zucht­
heuser“ zurückgeführt werden sollen.
Herzog Julius war entschlossen, als „patron und advocat der klös-
ter“ dem Beispiel der württembergischen, von Andreae überzeu-
gend vertretenen Klosterpolitik zu folgen, den Klosterbesitz nicht
einzuziehen, die Konvente nicht aufzulösen, sie vielmehr weiter-
hin zum „lob und preis des allmechtigen“ und darauf zu verpflich-
ten, der Kirche des Fürstentums nützlich zu sein.
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Bei der prak­
tischen Umsetzung dieser Zweckvorstellung hatte er vornehmlich
die Männerklöster im Auge, in denen Lateinschulen mit unter-
schiedlichen Klassen eingerichtet werden sollten
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, während ihm
bei den nun in voller Freiheit ohne Gelübdezwang im Kloster le-
benden evangelischen Konventualinnen, für die der Versorgungs-
aspekt weiterhin eine vorrangige Rolle spielte, hauptsächlich an
deren Fürbitte-Gottesdiensten nicht zuletzt für die fürstliche Obrig-
keit,
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sodann an ihrem frommen Zusammenleben und erst zuletzt
an der religiösen und hausfraulichen Mädchenerziehung lag.
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Alles in allem lautete der Grundsatz des frommen Fürsten: „Die
klöster sol man auskeren und nicht abbrennen“
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, d. h. reformie-