Seite 17 - Lebenswege

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Bernhild Vögel
Entlassen, verfolgt, zurückgekehrt –
Sozialistische Lehrer aus dem Land Braunschweig
zwischen Weimarer Republik und Nachkriegszeit
Sie wollten eine neue, eine sozialistische Gesellschaftsordnung. Sie wollten
eine vom kirchlichen Einfluss gänzlich befreite Schule, in der sie die individu-
ellen Neigungen und Fähigkeiten der Kinder fördern konnten. Es geht im
Folgenden um einige der etwa hundert sozialistisch orientierten Volksschul-
lehrer und -lehrerinnen, die in der Weimarer Zeit an den weltlichen Schulen
im Land Braunschweig reformpädagogische Ansätze erprobten oder an her-
kömmlichen Volksschulen das neu eingerichtete Fach „Lebenskunde“ unter-
richteten. Ab 1931 waren sie in unterschiedlichem Ausmaß von Entlassung
und Verfolgung durch die Nationalsozialisten bedroht.
Die Auswahl der in dem Aufsatz besonders berücksichtigten Personen ist
einerseits vom Grad ihrer Aktivitäten bestimmt, die sich in vielen, aber nicht
allen Fällen in den zugänglichen Quellen – personenbezogene Archivalien,
Erinnerungsberichte und private Dokumente – niedergeschlagen hat. Ande-
rerseits sollen die unterschiedlichen Lebenswege in der NS-Zeit, die von
Anpassung, Berufsverbot, Widerstand, Exil bis hin zu Inhaftierung und phy-
sischer Vernichtung reichten, Berücksichtigung finden.
Die biographischen Kapitel sind eingebettet in einen Überblick über die
wechselvolle Schulpolitik im Land Braunschweig in der Weimarer Zeit, ins-
besondere die Aktivitäten der Freien Lehrergewerkschaft für die Errichtung
der schließlich von den Nationalsozialisten zerschlagenen weltlichen Schulen.
Abgeschlossen wird der Beitrag mit einem kurzen Ausblick auf die Nach-
kriegsjahre und mit der Frage, inwieweit die aus innerer oder äußerer Ver-
bannung zurückgekehrten Pädagogen ihre Ideale aus der Weimarer Zeit wie-
der aufnehmen konnten bzw. wollten.
1. Sozialistische Lehrer und Schulpolitik in den Anfangsjahren der
Weimarer Republik
„Kanonenkirche“, „Stahlhelmkirche“, „Wenn wir die Kirche nicht bekämp-
fen, werden wir die Schule nicht befreien!“, „Fort mit der Kirchenschule!“
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Stadtarchiv Braunschweig (StadtA BS) GX 6, Nr. 47.