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Eine kontinuierliche Schulpolitik aber konnte sich nicht entwickeln, da die
Koalitionsregierung von SPD und USPD noch im Mai 1922 zerbrach. Die
vereinigten Schulausschüsse beendeten ihre Zusammenarbeit; im Herbst
1922 vereinigte sich die USPD mit der SPD.
Ruhrbesetzung, Inflation, Unruhen, Ausnahmezustand – erst im letzten
Quartal des Jahres 1923 geriet das Thema Schule kurzzeitig wieder in den
Blick der Öffentlichkeit. Volksbildungsminister Heinrich Jasper (SPD) ent-
schärfte den Grotewohlschen Erlass, dennoch sorgte sein neuer Erlass
35
für
einen Proteststurm des evangelischen Elternbundes.
2. „Bahn frei für die weltliche Schule“
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Im Herbst 1924 kamen die bürgerlichen Parteien an die Regierung und hoben
die sozialdemokratischen Schulerlasse wieder auf. Der Marquordtsche Schu-
lerlass
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– in sozialistischen Kreisen „Pfaffenerlass“ genannt – betonte den
bekenntnismäßigen Charakter der öffentlichen Schulen.
Im Rückblick von 1929 schrieb Leo Regener: „Durch diese Regierungs-
handlung wurden dissidentische Kinder gezwungen, bei fremden Religions-
ausübungen anwesend zu sein und an einem stark konfessionell gefärbten
Unterricht teilzunehmen; später bekamen sie dann die gnädige Erlaubnis, auf
35
Geiger (wie Anm. 30), S.71.
36
Volksfreund (VF), 23.9.1927.
37
Erlass vom 19.9.1925, abgedruckt in: Geiger (wie Anm. 30), S. 72 ff; vgl. Rother (wie Anm. 2),
S. 149; Uwe Sandfuchs, Die weltlichen Schulen im Freistaat Braunschweig: Schulpolitischer Zank-
apfel und Zentren der Schulreform. In: Ullrich Amlung u.a. (Hg.), „Die Alte Schule überwinden“.
Reformpädagogische Versuchsschulen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Frankfurt
1993, S. 227.
Aufruf in der „Freiheit“, April 1922.