135
waffe. Mitte 1944 arbeiteten in den zum Rüstungskommando Braunschweig
gehörenden Rüstungsfabriken etwa 63.000 Arbeiter, darunter etwa 22.000
ausländische zivile Zwangsarbeiter und ca. 8.000 Kriegsgefangene.
11
Die große Konzentration von Rüstungsbetrieben in der Stadt war ein
wesentlicher Grund dafür, dass Braunschweig mehrmals von Alliierten bom-
bardiert wurde, was die Zerstörung sowohl der Produktionsstätten als auch
der Wohnsubstanz zur Folge hatte. Den schwersten Bombenangriff gab es in
der Nacht vom 15. zum 16. Oktober 1944. Vor allem die Innenstadt wurde
damals in starkem Maße zerstört.
12
In ähnlichen Fällen in anderen Kommu-
nen in Deutschland führte der gravierende Mangel an Arbeitskräften, die man
zur Beseitigung der entstandenen Bombenschäden benötigte, dazu, dass die
städtischen Behörden zusammen mit der SS in den Lagern für Zwangs-
arbeiter, für Kriegsgefangene und in den Konzentrationslagern nach solchen
Arbeitskräften suchten.
13
Es scheint durchaus möglich zu sein, dass die Braunschweiger städtischen
Behörden, wie andere Kommunen, nach dem erwähnten Luftangriff im Okto-
ber 1944 das Rüstungsministerium und das Wirtschaftsverwaltungshauptamt
(WVHA) in Berlin baten, Kriegsgefangene für Enttrümmerungsarbeiten
bereitzustellen. Überliefert ist, dass der Gauleiter Hartmann Lauterbacher
(Gau Süd-Hannover-Braunschweig) am 21.10.1944, also fünf Tage nach der
Bombardierung, ein Fernschreiben an SS-Reichsführer Heinrich Himmler
richtete, in dem er um Zuteilung der sich im Kriegsgefangenenlager Stalag XI
B Fallingbostel internierten „2.000 aufständischen Polenweiber“ für die Auf-
räumungsarbeiten in Braunschweig bat.
14
Es handelte sich um die Frauen, die
am Warschauer Aufstand teilgenommen hatten und die kraft des Kapitula-
tionsvertrags vom 2.10.1944 als Kriegsgefangene behandelt wurden. Unter
ihnen waren Offiziere, Unteroffiziere, Soldatinnen und zehn minderjährige
Mädchen, die die Funktion von Ordonnanzen innehatten, was sie vor der
Trennung von den älteren Frauen schützen sollte. Nach einem kurzen Auf-
enthalt im Dulag O
ż
arów kamen diese Frauen um den 8.10.1944 in das Sta-
lag XI B Fallingbostel. Die Gruppe dieser Frauen zählte aber nur 500 Per-
sonen und nicht – wie in Lauterbachers Telegramm zu lesen ist – 2000.
Der Chef des persönlichen Stabes Himmlers, SS-Standartenführer Rudolf
Brandt, beantwortete dieses Fernschreiben, nachdem er den Sachverhalt mit
11
Karl Liedke, Gesichter der Zwangsarbeit. Polen in Braunschweig 1939-1945, Braunschweig 1997,
S. 21-24.
12
Günther K.P. Starke, Das Inferno von Braunschweig und die Zeit danach, Braunschweig 2002.
13
Zum Thema Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen in den Kommunen siehe: Karola Fings, „Not kennt
kein Gebot“. Kommunalverwaltung und KZ-Außenlager, in: Dachauer Hefte 15 (1999), S. 66-76;
dies.: Kommunen und Zwangsarbeit, in: Ulrike Winkler (Hg.). Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und
Entschädigungsdebatte, Köln 2000, S. 108-129. Zu dieser Zeit war Heinrich Himmler auch für das
Kriegsgefangenenwesen zuständig.
14
Bundesarchiv Berlin, NS19 Nr. 2600 (Kopie vorhanden in der Stiftung niedersächsische Gedenk-
stätten Celle, Zentralnachweis). Die Namen der Frauen werden in: Roman Bielecki,
Ż
o
ł
nierze
powstania warszawskiego
,
Warszawa 1995, Bd. 1, S. 237-269 genannt.