Seite 42 - Lebenswege

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dem für Kriegsgefangenenangelegenheiten zuständigen SS-Obergruppenführer
Gottlob Berger und mit dem SS-Obergruppenführer Erich von dem Bach-
Zelewski, erörtert hatte. Am 6.11.1944 benachrichtigte er Lauterbacher, dass der
gewünschte Einsatz der aufständischen Polinnen nicht möglich sei, da in diesem
Fall die Bestimmungen der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegs-
gefangenen eingehalten werden müssten, nach denen derartige Arbeitseinsätze
nicht statthaft waren.
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Einen großen Einfluss auf Himmlers Entscheidung hatte
sicherlich die Situation an der Front, die die SS dazu bewog, bestimmte Maß-
nahmen zu treffen, deren Zweck wohl darin bestand, die SS den westlichen
Alliierten gegenüber in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.
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Einrichtung des Lagers SS-Reitschule
Als Alternative zur Rekrutierung der so dringend benötigten Arbeitskräfte
kamen die Konzentrationslager in Frage. Wahrscheinlich wurde der Kontakt
zu dem Konzentrationslager Bergen-Belsen, das ca. 90 km von Braunschweig
entfernt lag, sehr schnell hergestellt. Dieses 1943 als „Aufenthaltslager“
errichtete Lager wurde ab Frühjahr 1944 in ein Konzentrationslager umge-
wandelt. Von August 1944 bis März 1945 wurden mindestens 7.500 weib-
liche Häftlinge aus dem KZ Bergen-Belsen in die Außenlager der Konzen-
trationslager Buchenwald, Flossenbürg, Neuengamme und Bergen-Belsen
überstellt.
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Parallel zu den Bemühungen um die Zuteilung der benötigten Arbeitskräfte
verlief in Braunschweig die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten für die
KZ-Häftlinge. Dabei wurde man auf dem Gelände der SS-Reitschule in der
Salzdahlumer Straße am Südrand der Stadt fündig. Diese SS-Reitschule war
1941 gebaut und von Offizieren und Lehrgangsteilnehmern der SS-Junker-
schule genutzt worden. Diese SS-Junkerschule hatte ihren Sitz im zentral in der
Innenstadt gelegenen Schloss.
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Nachdem das Schloss Mitte 1944 durch Bom-
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Bundesarchiv Berlin, ebd. Siehe dazu: Herbert Obenaus, Kriegsgefangene der polnischen Heimatar-
mee nach dem Warschauer Aufstand von 1944. Der Kampf um den Rechtsstatus, in: Der War-
schauer Aufstand 1. August -2. Oktober 1944. Ursachen-Verlauf-Folgen, Warszawa-Hannover
1996, S. 89-114. Übrigens hatte Himmler weibliche KZ-Häftlinge zu derartigen Arbeiten erstmals
im September 1942 angeordnet. Diese Anordnung wurde aber zwei Jahre lang nicht weiterverfolgt
und umgesetzt, in: Bernhard Strebel, Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes
.
Mit
einem Geleitwort von Germaine Tillion, Paderborn 2003, S. 424.
16
Zum weiteren Schicksal der kriegsgefangenen Frauen aus Warschau siehe Obenaus (wie Anm. 15),
S. 89-114.
17
Kolb (wie Anm. 6), S. 38 und S. 153.
18
Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel 12 Neu 13, 45546, 45547, 45548. Der ehemalige
polnische Zwangsarbeiter W
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aw Smyk (geb. 1924), der vom 12.4.1943 an in der SS-Reitschule
als Stallbursche gearbeitet hat, schrieb dem Autor über den Betrieb der SS-Reitschule. Außer ihm
waren dort 21 andere Männer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren, darunter drei Polen und 18
Ukrainer, beschäftigt. Sie hatten 140 – 160 Pferde zu versorgen, in: Briefe von W. Smyk vom 2.6.
und 21.9.1995.