Seite 43 - Lebenswege

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ben zerstört worden war, fand auch kein Reitunterricht in der Salzdahlumer
Straße mehr statt. Die Reitschule wurde in den Ort Owi
ń
ska im Bezirk Posen
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verlegt. Es blieben also leer stehende und nicht mehr genutzte Räumlichkeiten.
Offenbar fing die SS Mitte November 1944 mit Vorbereitungen zur Unterbrin-
gung der Häftlinge in der ehemaligen Reitschule an. Einen Beweis dafür liefert
die Rechnung der Transportfirma Carl Bielstein vom 21.11.1944, die „drei Par-
tien von Reisegepäck und zwei Anhänger vom Hauptbahnhof in die SS-Reit-
schule verfrachtet“ hatte. Ihre Rechnung richtete sie an die Stadt Braunschweig,
Abteilung Arbeitseinsatz.
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Bei dem transportierten Gut könnte es sich um das
Reisegepäck des Wachpersonals gehandelt haben.
Organisation und Bewachung
Das neu errichtete Lager wurde durch die SS kommandiert und bewacht. Trotz
intensiver Recherchen konnten weder der Name des Lagerkommandanten,
noch die Namen von SS-Aufseherinnen in Erfahrung gebracht werden. Nach
einem Zeitzeugenbericht war der Lagerkommandant „ein großer uniformierter
SS-Mann“, ihm unterstanden „zwei uniformierte SS-Frauen, von denen eine
ziemlich groß, die andere etwas kleiner war“.
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In einem anderen Bericht wer-
den „zwei Frauen und vier Männer“ als SS-Lagermannschaft genannt.
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Die Wachmannschaften scheinen sich, den Zeitzeugenberichten nach, aus
Wehrmachtssoldaten zusammengesetzt zu haben.
Die Häftlinge
Die erste Gruppe von Frauen wurde wahrscheinlich schon im November 1944
aus dem KZ Bergen-Belsen in die SS-Reitschule gebracht. Piroska Braun, geb.
1921, berichtet, dass sie am 4.11.1944 von Auschwitz nach Bergen-Belsen kam,
wo sie drei Tage verbrachte. Die nächste Station war Braunschweig.
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In ande-
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Smyk (wie Anm. 18). In Owi
ń
ska befand sich eine SS-Schule. Vgl. Obozy hitlerowskie na ziemiach
polskich 1939-1945, Warszawa 1979, S. 433.
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Nach Eingang der Rechnung versuchte man den Auftraggeber ausfindig zu machen und die Art des
Transports festzustellen, da die Abteilung Arbeitseinsatz nicht bekannt war, in: Nds. StA Wf., 12
Neu 13 8276.
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Bericht von Katerina Zylberszac. Mit Katerina Zylberszac hat ihr Eheman Mojzesz Zylberszac (ehe-
maliger Häftling von KZ Auschwitz und KZ Neuengamme/Außenlager Schillstraße Braunschweig)
gesprochen. Von den am 18.12.2000 und am 30.5.2001 geführten Gesprächen hat er zwei Protokol-
le angefertigt. Die Eheleute Zylberszac leben in Schweden.
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Bericht von Regina Naftaniel. Mit Regina Naftaniel sprach ebenfalls Mojzesz Zylberszac. Ein
Gesprächsprotokoll wurde am 30.8.2001 angefertigt. Regina Naftaniel wohnt in Schweden.
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Yad Vashem Archives Jerusalem, Sign. 0.15.E/2791. Den November als Transporttermin nennt auch
Chana Ringart geb. Malamut, geb. 1924. Mit Chana Ringart hat ihr Ehemann Jakub Ringart (ehemaliger
Häftling von KZ Auschwitz, KZ Neuengamme/Außenlager Schillstraße Braunschweig) gesprochen
und am 19.1.2001 ein Gesprächsprotokoll angefertigt. Das Ehepaar Ringart wohnt in Schweden.