Seite 45 - Lebenswege

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Frank Ehrhardt / Martina Staats
Das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes
in der Erinnerungskultur der 1950er Jahre:
Drei Mahnmale in Braunschweig
Die Enthüllung einer Büste des im Konzentrationslager ermordeten Minister-
präsidenten Heinrich Jasper war in den letzten Tagen des Jahres 1951 die
Einweihung der ersten Gedenkstätte, die die Stadt Braunschweig den Opfern
des NS-Regimes widmete. Am 4. Juli 1958, dem 25. Jahrestag des Mordes an
zehn Antifaschisten in der Ortschaft Rieseberg, wurde die Begräbnisstätte der
Opfer durch die Übergabe der Skulptur eines gefangenen Mannes vervoll-
ständigt. Eine große Menschenmenge war zu der Gedenkfeier auf den städ-
tischen Urnenfriedhof gekommen. Am Volkstrauertag des gleichen Jahres
wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Helmstedter Straße ein Denkmal
zur Erinnerung an die ermordeten Braunschweiger Juden eingeweiht.
Die Errichtung von gleich drei Gedenkstätten für Opfer des National-
sozialismus in den 1950er Jahren lässt aufhorchen, wird doch zumindest der
erste Teil dieser Dekade in der Geschichte der Bundesrepublik mit den Begrif-
fen des Verdrängens und Verschweigens, der Amnesie und der Abkehr von
der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen charakte-
risiert.
Der öffentliche Umgang mit dem Nationalsozialismus in dem 1949
gegründeten deutschen Teilstaat ist ein in den letzten Jahren gründlich unter-
suchtes Thema der Geschichtsforschung. Die 1950er Jahre werden dabei in
Abgrenzung zu den vorangegangenen Nachkriegsjahren, in denen unter alliier-
ter Regie eine Phase der Säuberung mit justizieller Aufarbeitung von NS-Ver-
brechen und Ausgrenzung von NS-Parteigängern zu verzeichnen war, als eine
Zeit der Gegenbewegung charakterisiert. Norbert Frei hat für die nun im
weitgehenden gesellschaftlichen Konsens vorherrschende Politik der Amnes-
tierung und Integration der NS-Täter den Begriff der „Vergangenheitspolitik“
geprägt. Der Ruf nach einem „Schlussstrich“ überwog, die von Hannah
Arendt beschriebene „reflexartige Schuldabwehr“ kennzeichnete das indivi-
duelle Verhalten vieler Deutscher. NS-Verbrechen wurden tabuisiert. Die
Deutschen betrachteten sich zunehmend selbst als eine von Krieg und Dikta-
tur getroffene Opfergemeinschaft. Der Nationalsozialismus wurde „als Aus-
geburt des Dämons Masse und eines satanischen Führers“ beschrieben. Die
mit der Zuspitzung des Kalten Krieges dominierende Totalitarismus-Theorie