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sowie die in Rieseberg ermordeten „Arbeiter“. Er nannte Stadtverordnete, die
im Konzentrationslager ums Leben gekommen waren, gedachte der zahl-
reichen jüdischen Mitbürger, erwähnte den im Exil verstorbenen Stadtverord-
neten Albert Winnecke und ging auf die führenden Landespolitiker ein, die
wie der Landtagspräsident Kuno Rieke und die Minister Heinrich Jasper und
Gustav Steinbrecher nach langer Haft im KZ gestorben waren.
Böhme, der 1929 zum Oberbürgermeister gewählt worden war, war selbst
durch SA-Trupps am 13.3.1933 aus seinem Amtssitz entfernt worden. Weni-
ge Tage darauf verschleppte die SS den Sozialdemokraten in das Volksfreund-
Gebäude, wo Böhme mehrfach bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen wurde. In
einem „Triumphzug“, von dem später Fotografien vervielfältigt wurden,
wurde Böhme dann in das Gefängnis Rennelberg gebracht. Er kam einige
Tage darauf mit der Auflage aus der Haft frei, Braunschweig sofort zu verlas-
sen. Nach einem volkswirtschaftlichen Studium konnte Böhme in Berlin als
freiberuflicher Buchprüfer arbeiten und überstand so die NS-Zeit. Am Kriegs-
ende wurde er von der amerikanischen Besatzungsverwaltung wieder als
Braunschweigs Oberbürgermeister eingesetzt und war vorerst sowohl obers-
ter Repräsentant der Stadt als auch Spitze der städtischen Verwaltung. Im
Oktober 1946 brachte die erste Kommunalwahl eine sozialdemokratische
Ratsmehrheit, der die Bestätigung Böhmes folgte. Das Amt des Stadtober-
haupts übte er bis Ende 1948 aus.
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An die Spitze der Landesverwaltung des noch bestehenden Freistaates
Braunschweig hatte die Besatzungsmacht den Lehrer und früheren Reichstags-
abgeordneten Hubert Schlebusch als Präsidenten des Staatsministeriums einge-
setzt. Schlebusch war nach mehreren Wochen Haft 1933 aus seiner Heimat
Mönchengladbach ausgewiesen worden. Er lebte dann in Braunschweig als
Außendienst-Mitarbeiter einer Versicherung. 1935 geriet er in Verdacht, einem
Kontaktnetz früherer Sozialdemokraten anzugehören. Er wurde in Untersu-
chungshaft genommen und anschließend für drei Monate in das Konzentra-
tionslager Dachau gebracht. 1938 und 1939 war er erneut für mehrere Monate
im Gefängnis Rennelberg. Nach der Wahl eines Braunschweigischen Minister-
präsidenten 1946 blieb Schlebusch Landesdirektor, später blieb er bis zu seinem
Tod 1955 Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig.
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An der Spitze der städtischen Verwaltung Braunschweigs stand von 1946
bis 1960 als Oberstadtdirektor Erich Walter Lotz. Ursprünglich ebenfalls
Lehrer, war Lotz in den 1920er Jahren Vorsitzender der Stadtverordneten-
versammlung in Aschersleben gewesen. Der Sozialdemokrat wurde in der
NS-Zeit verhaftet und unter Polizeiaufsicht gestellt. Er arbeitete in den fol-
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Beatrix Herlemann, Biographisches Lexikon niedersächsischer Parlamentarier 1919-1945. Hanno-
ver 2004, S. 50 f., Horst-Rüdiger Jarck und Günter Scheel (Hg.), Braunschweigisches Biographi-
sches Lexikon, Hannover 1996, S. 76 f., Nds. StA Wf. 4 Nds. Zg. 41/1992, Nr. 235/1, StadtA Bs. E
41 VIII 1 Nr. 1.
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Nds. StA Wf., 4 Nds. Zg. 41 / 1992, Nr. 2943, Jarck/Scheel (wie Anm. 8), S. 521 f.