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Die Braunschweiger Flugzeugentwicklungen
„Zaunkönig“ und „Kiebitz“
Von Friedrich Karl Franzmeyer
Beim Aufbau des Luftfahrtlehrzentrums der Technischen Hochschule
Braunschweig auf dem Gelände des Flughafens Braunschweig-Waggum
übernahm am 1. August 1938 Prof. Dr.-Ing. Hermann Winter (1897 – 1968)
die Leitung des Instituts für Flugzeugbau. Er kam von den Fieseler Flug-
zeugwerken in Kassel mit der Vorstellung nach Braunschweig, Lehre und
Forschung möglichst praxisnah zu betreiben. Um seine Studenten zur Ver-
tiefung ihres Studiums an praktische Aufgaben heranzuführen, lag es für ihn
daher auf der Hand, im Rahmen seiner Lehrtätigkeit auch ein Flugzeug zu
entwickeln und zu bauen.
So entstand im Institut für Flugzeugbau 1939/40 unter seiner Anleitung
ein kleiner einsitziger Hochdecker, bezeichnet als „Langsamflugzeug Nr. 1“
(LF 1), das später unter dem Namen „Zaunkönig“ in Fachkreisen bekannt
geworden ist. Nach der Wiederzulassung des Motorfluges in Deutschland
nach dem 2. Weltkrieg folgte 1956 – 1959 als weitere Neukonstruktion das
zweisitzige „Langsamflugzeug Nr. 2“ (LF 2), das den Namen „Kiebitz“ er-
hielt. Über diese beiden Flugzeugentwicklungen im Institut für Flugzeugbau
der TH Braunschweig wird im Folgenden berichtet.
Das Langsamflugzeug LF 1 „Zaunkönig“
Ende der 30er Jahre war in der Luftfahrt der „Langsamflug“ von besonde-
rem Interesse, aber seine Erforschung stand zu jener Zeit noch in den Anfän-
gen. Die beeindruckenden Vorführungen des Langsamflugzeugs „Storch“
(Fi 156) der Fieseler Flugzeugwerke waren ein überzeugendes Beispiel für
diese Entwicklung. Unmittelbar vor seinem Wechsel nach Braunschweig
hatte Prof. Winter bei Fieseler die Entwicklung der Serienreife des „Storch“
geleitet. Es war daher folgerichtig, dass für ihn das Thema „Kurzstart und
-landung“ zu einem Schwerpunkt seiner Hochschultätigkeit in Braunschweig
wurde.
Bereits 1939 tauchten im Institut für Flugzeugbau die ersten Projektdaten
und Skizzen von einem „Langsamflugzeug“ auf, die sich wenig später kon-
kretisierten. Die Entwurfsvorgaben sahen ein einsitziges Flugzeug mit mög-
lichst kleinen Abmessungen und einem sparsamen Motor vor. Seine Flugleis-
tungen sollten im Langsamf lug mindestens an die Werte des Fieseler